Staatsanwaltschaft sieht keine Verbindung zu rechter Szene "Du Scheiß-Ausländer, wir machen dich kalt"

Sebnitz/Dresden (AP). Auch der dritte Tatverdächtige im Fall des mutmaßlich ermordeten sechsjährigen Joseph aus Sebnitz hat nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft keine Verbindung zur rechtsextremistischen Szene. Dies teilte die Dresdner Anklagebehörde am Sonntag mit. Bereits bei den anderen beiden Beschuldigten waren keine Kontakte zur rechten Szene festgestellt worden. Das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen bestätigte indes den Verdacht einer vorsätzlichen Straftat.

Nach AP-Informationen lief gegen einen der Verhafteten aber bereits ein Verfahren wegen des Tragens verfassungswidriger Kennzeichen. In einer als streng vertraulich eingestuften Fallanalyse der Kriminologen, die der AP vorliegt und in deren Besitz auch das sächsische Innenministerium ist, beruft sich das Institut auf umfangreiches Material, das von Josephs Familie zur Verfügung gestellt wurde.

Die Kriminologen kommen zu dem Schluss, dass die Ermittlungen nach dem Tod von Joseph am 13. Juni 1997 in einem Freibad mit Desinteresse und Unprofessionalität geführt worden seien. Das Institut untersuchte 15 eidesstattliche Versicherungen von Zeugen und benennt sieben Tatverdächtige. In Sebnitz gebe es ein gemeinschaftlich organisiertes Mobbing gegen die deutsch-irakischen Eltern von Joseph.

Laut "Bild am Sonntag" hatte Joseph vor seinem Tod geweint und laut um Hilfe gerufen. Das Blatt beruft sich auf Protokolle von Zeugenaussagen. Danach wurde das Kind mit den Worten "Du Scheißausländer, wenn Du jetzt nicht mitkommst, machen wir Dich kalt" beschimpft. Niemand der über 200 Erwachsenen habe gewagt einzuschreiten.

Nach den Ermittlungen wurde Joseph mit einem Elektroschocker gequält, dann an den Rand eines Schwimmbeckens gezerrt und schließlich ins Wasser geworfen. Dann sollen die drei Tatverdächtigen - eine Frau und zwei Männer im Alter zwischen 20 und 25 Jahren - auf dem Rücken des Kindes herumgesprungen sein. Joseph wurde wenig später tot auf dem Boden des Schwimmbeckens aufgefunden.

Wegen seiner Äußerungen wurde der evangelische Pfarrer von Sebnitz, Konrad Creutz, unterdessen vom Dienst beurlaubt. Das Landeskirchenamt Sachsen bat Josephs Eltern um Entschuldigung. Der Pfarrer hatte in einem Zeitungsinterview den Eltern vorgeworfen, ihre Erziehungspflicht verletzt zu haben. Der Tod Josephs war am Sonntag auch Gegenstand der evangelischen und katholischen Gottesdienste in Sebnitz.

Biedenkopf warnt vor Vorurteilen

Der sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf mahnte, mit Verdächtigungen sorgfältig umzugehen. Nicht alles, was mit Hass und Gewalt zu tun habe, sei Rechtsextremismus, sagte Biedenkopf auf dem CDU-Landesparteitag in Rietschen. Die Medien hätten einen Verdacht zur Realität erklärt. Sebnitz sei "öffentlich hingerichtet" worden.

Unterdessen wurde bekannt, dass die sächsischen Behörden erst nach einer Unterrichtung des Bundesinnenministeriums im Sommer auf den Fall reagierten. Die Familie Abdulla hatte sich zuvor mit zwei Schreiben an Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin und Bundesinnenminister Otto Schily gewandt. Bundeskanzler Gerhard Schröder sagte der "Bild"-Zeitung: "Ich erwarte ein politisches Signal von Verantwortlichen des Freistaates Sachsen und die rückhaltlose Aufklärung des Falles."

(RPO Archiv)
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