Marktschellenberg Dramatische Rettung in der Alpen-Höhle

Marktschellenberg · Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit: Seit zwei Tagen wartet ein verletzter Forscher fast 1000 Meter tief in einer Alpenhöhle auf seine Rettung.

An die 200 Helfer sind angereist. Allein um die 80 spezialisierte Höhlenretter der Bergwacht aus Rosenheim, Garmisch-Partenkirchen, Murnau, Freilassing sowie ihre Kollegen aus Salzburg sind gekommen. Jetzt sitzen sie auf einer Wiese bei Marktschellenberg in den Berchtesgadener Alpen in der gleißenden Sonne - und können nichts tun für den Schwerverletzten, der ein paar Kilometer weiter in knapp 1000 Metern Tiefe in der Riesending-Schachthöhle festsitzt. "Er ist ansprechbar, aber es geht ihm nicht gut", heißt es bei der Bergwacht.

Zwölf Retter sind in der Höhle unterwegs - mehr können in die engen Schächte gar nicht einsteigen, und nur die besten wagen überhaupt den Abstieg. Gestern gelang es ihnen zwar, den ausharrenden Mann und seine beiden Begleiter in der Riesending-Schachthöhle zu erreichen. Doch ist der Verletzte nach Auskunft von Polizei und Bergwacht nicht transportfähig.

Der verletzte 52-Jährige aus dem Raum Stuttgart ist ein erfahrener Höhlenforscher. Er hatte die Höhle 1995 auch mitentdeckt. Zusammen mit zwei Begleitern wollte er am Pfingstwochenende die wenig erforschte Höhle weiter erkunden. "Sie kannten die Höhle", sagt Bärbel Vogel, Vorsitzende des Verbandes der deutschen Höhlen- und Karstforscher. Die drei seien Mitglied des Verbandes und zählten zu einer Stammgruppe, die immer wieder in die Riesending-Schachthöhle einstieg, um sie zu erforschen. Es ist die tiefste und längste Höhle Deutschlands. "Die Leute, die dort forschen, sind alle nicht leichtsinnig."

Das trockene Wetter an Pfingsten schien optimal für den Abstieg in das verzweigte Höhlensystem. Denn auch unter der Erde kann starker Regen gefährlich sein - wenn er in den Schächten Wassereinbrüche auslöst. Dann am frühen Sonntagmorgen gegen 1.30 Uhr überrascht ein Steinschlag die Männer. Ein Stein trifft den 52-Jährigen am Kopf. Auch der Helm kann den Schlag nicht abfangen. Der Mann erleidet schwere Verletzungen an Kopf und Oberkörper. Einer der Begleiter kletterte zurück und schlug Alarm, der andere blieb bei dem Verletzten. Ihnen kam noch ein weiterer Mann zur Hilfe, der mit einer anderen Gruppe in der Höhle war. "Wir versuchen, einen Arzt zu ihm hinunter zu bringen", sagt der stellvertretende Vorsitzende der Bergwacht Bayern, Stefan Schneider. Gleich am Einstieg muss über 300 Meter senkrecht in die Tiefe abgeseilt werden, ähnlich geht es bis in 1000 Meter Tiefe weiter. Danach müssen die Forscher aus eigener Kraft am Seil wieder hochsteigen. Der Arzt habe auf der Strecke erschöpft Pause machen müssen. "Es gibt nur ganz wenig Ärzte, die in eine solche Höhle kommen."

"Der Mann liegt eben, trocken und windstill", sagt Schneider. Denn auch in der Tiefe kann Zug entstehen. Es drohe aber unter anderem Unterkühlung. Unten im Berg ist es zwischen vier und acht Grad kühl. Und alle dort unten, auch die Retter, sind ständig von neuem Steinschlag bedroht. "Sie sind einer erheblichen Gefahr ausgesetzt." Die deutschen Bergretter werden unterstützt durch ein Spezialteam aus der Schweiz, das aus fünf erfahrenen Höhlenforschern und einem Arzt.

Ein Ende der Rettungsaktion ist nicht absehbar. "Es wird Tage dauern. Vielleicht auch eine Woche", sagt Schneider.

(dpa)
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