Hannover Drache Kokosnuss wird zum Filmstar

Hannover · Mehr als sechs Millionen Mal haben sich die Abenteuer von Kokosnuss, Oskar und Matilda schon verkauft. Nun kommt ein Kino-Film, bald auch eine TV-Serie. Autor Ingo Siegner über den Erfolg, Merchandising und lachende Kinder.

Kokosnuss ist neugierig, geht mutig drauf los und ist offen für Fremdes. Sein kleines Manko: Er ist ein Flugdrache, kann aber nicht fliegen. Stachelschwein Matilda, seine Freundin, weiß viel, hat gute Ideen und ist ein wenig ängstlich. Und dann wäre da noch Oskar, ein Fressdrache. Er ist ein guter Kumpel, immer für einen Gag gut, und wenn in einem Kokosnuss-Abenteuer ein Wort wie "Schnarchnase", oder "Pupskanone" fällt, ist der vorlaute Oskar meist nicht weit.

Kaum ein Kind unter zwölf Jahren wird an dem kleinen Drachen und seinen Freunden bislang vorbeigekommen sein. Die amüsanten Geschichten der drei unterschiedlichen Freunde, die jedes Mal ein Abenteuer erleben, sind im Buchhandel eine Erfolgsreihe: Ihr Erfinder Ingo Siegner schreibt zurzeit am 24. Band, in dem es Kokosnuss ins alte Ägypten verschlagen wird. Im aktuellen Buch erkundet er den Nordpol und trifft einen Eisbären namens Björn. Nun hat es Kokosnuss sogar ins Kino geschafft: Morgen feiert der Film in München Premiere, am 18. Dezember - pünktlich zu den Feiertagen - läuft das 3D-Animationsabenteuer deutschlandweit an.

Mehr als fünf Millionen Bücher hat Ingo Siegner verkauft, hinzu kommen eine Million Hörbücher sowie mehr als zwei Millionen Merchandising-Artikel. Der Vermarktung seiner Figur steht der 49-Jährige allerdings etwas verhalten gegenüber. "Lange habe ich mich dagegen gesträubt", sagt er. Aber die kleinen Fans hätten häufig nach Plüschtieren oder Malvorlagen gefragt. Damit begann es, viele andere Dinge folgten. "Jedes für sich ist okay, aber in der Masse wird es mir zuweilen zuviel." Fakt sei aber auch, dass das Drumherum von Büchern für die Buchhändler wirtschaftlich immer wichtiger geworden sei.

Mit dem Kokosnuss-Film hatte der Niedersachse jedoch nie Probleme. Er schätzt diese Kunstform, witzige und gut gemachte Filme wie "Ice Age" seien für seinen Drachen ein gutes Vorbild. Er hat das Projekt eng begleitet und findet es gelungen. Der einzige kleine Schatten: "Einige Dinge hätte ich etwas weniger drastisch dargestellt." Zwar bekämen schon Dreijährige von ihren Eltern seine Bücher vorgelesen, doch wenn es im Buch spannend würde, könnte man die Stimme weniger dramatisch klingen lassen oder einfach ein paar Sätze auslassen. Das ginge im Kino natürlich nicht.

Das Zeichnen hat er sich selbst beigebracht. Schon als Kinderbetreuer eines Reiseveranstalters erzählte er schon gerne Geschichten. Für den Sohn einer Freundin schließlich dachte sich Siegner Kokosnuss (der auch mal den Arbeitsnamen Klaus-Dieter trug) aus, illustrierte und verschenkte sie. Nach und nach bekamen alle Kinder im Freundeskreis eine Geschichte. Der Freund seines Cousins, ein Verleger, wurde im Kinderzimmer der Patentochter auf den Drachen aufmerksam. Die Kokosnuss-Begeisterung wuchs langsam, mittlerweile liefert Siegener jedes Jahr zwei Bücher ab, die sich jedes bis zu 500 000 Mal verkauften.

Der gelernte Bankkaufmann hat zurzeit drei Jobs: Er ist Autor, Illustrator und Vorleser. Zweimal im Jahr geht Siegner auf Lesereise, er nennt es seine "Tournee" durch Klassenzimmer, Bibliotheken und Buchläden. Und auch wenn er sich dabei häufig eine Erkältung einfängt, sind diese Reisen für ihn immer eine Inspiration. "Kinder sind unverstellt und spontan", betont er. Ihre Reaktionen gäben ihm immer neue Ideen.

Zig Bücher, ein Film, künftig auch eine Fernsehserie - der Erfolg sei schön, aber auch ein wenig anstrengend. "Ich habe genau wie andere Selbstständige das Problem, dass ich eigentlich zu viele Aufträge annehme." Die Arbeit macht Spaß, Projekte klingen interessant. "Ich kann einfach nicht Nein sagen", bekennt er. Er sagt meistens "Warum nicht?"

Angesichts der Verkaufszahlen bleibt er trotzdem unaufgeregt. Deshalb ist wohl für einen wie ihn Hannover die perfekte Stadt. Er hat dort mittlerweile sogar drei Cafés entdeckt, in denen die Croissants so gut schmecken wie die in Frankreich. Zu diesem Land hat er eine besondere Verbindung. Die Sprache fasziniert ihn, nach dem Abitur arbeitete er als Au-Pair bei einer Familie nahe Biarritz und später in Paris.

Fast sein ganzes Leben verbrachte er aber im Dunstkreis Hannovers. "Wenn ich zum Geburtstag einlade, kommen dieselben Leute wie vor 20 Jahren", stellt er fest. Gut, der ein oder andere aus der Verlagswelt sei mittlerweile dazugekommen. Ansonsten habe sich aber nicht so viel verändert in seinem Leben. Allerdings spielt er mit dem Gedanken, in Frankreich ein Haus zu kaufen. Davon habe er schon als Student geträumt, es wäre für ihn eine kleine Rückzugsoase. "Zu Hause gibt es zum Arbeiten manchmal einfach zu viel Ablenkung."

Vielleicht fände er in Frankreich die Muße, die er sich wünscht, um einer geliebten, aber noch unterbelichteten Figur ebenfalls Geschichten anzudichten. In seinen Büchern findet sich immer auch eine kleine Maus, über die nicht viel erzählt wird und die Platz lässt für fantasievolle Ausschmückungen von Vorlesern und Kindern. Andere Autoren wie Axel Scheffler ("Der Grüffelo") und Sven Nordqvist ("Petterson") arbeiten ebenfalls Tiere als Gimmicks in ihre Geschichten mit ein. Bei Scheffler ist es ein Eichhörnchen, bei Nordqvist eine ganze Armada von Kleintieren. Siegners Mäuschen befindet sich also in der Kinderliteratur in guter Gesellschaft. "Sie macht in den Büchern einfach ihr eigenes Ding." Auch in den Kinofilm hat sie es geschafft.

(RP)
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