"Ganze Stadt in Haft genommen" DJV kritisiert Medien, Justiz und Schröder im Fall Joseph

Saarbrücken (AP). Der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV), Siegfried Weischenberg, hat im Fall des ertrunkenen Sebnitzer Jungen Joseph das Verhalten von Medien, aber auch der Staatsanwaltschaft und des Bundeskanzlers kritisiert.

Er sagte der "Saarbrücker Zeitung" (Freitagausgabe), die Berichterstatter, "die sich sehr schnell und sehr weit aus dem Fenster gelehnt haben", hätten "zu einem Wagenburg-Effekt beigetragen, durch den eine ganze Stadt in Haft genommen wurde". Weischenberg fügte hinzu: "Sebnitz selbst richtet sich nun gegen die Medien und die Eltern, eine ganz problematische Entwicklung."

Für problematisch halte er auch das Verhalten der Staatsanwaltschaft, die in einer frühen Phase pausenlos Interviews gegeben und schnell Verhaftungen vorgenommen habe. "Für die Medien war daher nur schwer vorhersehbar, dass sich angebliche Beweise in Luft auflösen würden", sagte Weischenberg. Er warne davor, den Rechtsextremismus jetzt wieder zu verniedlichen.

Der "populistische Umgang" mit dem Tod des Kindes, für den die Familie Neonazis verantwortlich machte, habe zur jetzigen Situation erheblich beigetragen. "Der Bundeskanzler gibt der Mutter vorschnell eine Audienz und verteidigt den Rechtsstaat gegen den Rechtsextremismus. Herr Biedenkopf verteidigt Ostdeutschland gegen den Rest der Welt. Auf undifferenzierte Weise ist damit der Ost-West-Konflikt weiter geschürt worden", meinte der DJV-Vorsitzende.

(RPO Archiv)
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