„Ich höre den Schrei noch“ Zeugin vom Frankfurter Hauptbahnhof schildert Momente nach der Tat

Frankfurt/Main · Der tödliche Stoß eines Kindes vor einen ICE in Frankfurt hat Deutschland schockiert. Auf Facebook hat eine Zeugin nun geschrieben, wie sie die Momente danach wahrgenommen hat.

 Ein Meer aus Blumen, Kuscheltieren und Beileidsbekundungen hat sich am Gleis 7 des Hauptbahnhofs gebildet.

Ein Meer aus Blumen, Kuscheltieren und Beileidsbekundungen hat sich am Gleis 7 des Hauptbahnhofs gebildet.

Foto: dpa/Arne Dedert

Die Ereignisse vom Frankfurter Hauptbahnhof und dem vor einen einfahrenden Zug gestoßenen Jungen bewegen ganz Deutschland. Mittlerweile hat die Diskussion eine politische Ebene über mehr Sicherheit an Bahnsteigen erreicht. Die AfD schlachtet die Nationalität des Mannes aus, der Mutter und Sohn auf die Gleise gestoßen hat.

Auf Facebook hat die Vorstandsvorsitzende des Börsenvereins des deutschen Buchhandels, Karin Schmidt-Friderichs, jetzt einen emotionalen Post abgesetzt. Friderichs war bei der Attacke Zeugin, stand auf jenem Gleis 7 und schildert die Momente kurz danach. Sie schreibt: „Ich war heute in Frankfurt auf der Höhe der Unglücksstelle zwei Gleise entfernt. Der entsetzliche Schrei klingt nach. Und das Erlebnis, wildfremde Menschen fest in den Arm zu nehmen, weil sie sichtlich Schockreaktionen zeigen.“

Sie habe erlebt, dass „direkt im Anschluss weintrinkende Menschen auf reservierte Plätze in Ersatzzügen bestehen, aber auch, dass Menschen ihre Koffer öffnen, saubere Kleidung auf den Boden legen, damit verstörte Menschen ihre Füße hochlegen können.“

In Momenten wie diesen, meint Schmidt-Friderichs, sei schnell etwas festzustellen. „Wenn etwas Schlimmes passiert, zeigt sich fratzenhaft der wirkliche Charakter. Gute Züge (im Menschen) werden besser, schlechte schlechter“, schreibt sie weiter.

Vor allem gelte das für die Reaktionen zur Nationalität habe sie erschreckt. „Der aggressive Täter kam aus Eritrea. Das darf nicht auf alle Menschen mit Migrationshintergrund oder dunkler Hautfarbe übertragen werden. Bitte nein“, mahnt Schmidt-Friderichs.

Es sei immer sehr einfach, zu schimpfen, erzählt sie. Auch Taten zu verurteilen: „Und Gewalt gehört verurteilt. Immer. Egal, von wem sie ausgeht und wie die Hautfarbe und Herkunft ist.“

„Wir sollten aber auch nicht vergessen, dass heute in Frankfurt wildfremde Menschen einander in den Armen lagen, miteinander weinten und zitterten, einander bei Gleiswechseln mit den Koffern halfen und zusammen rückten, damit drei Menschen auf zwei Plätzen sitzen konnten“.

Sie sei nicht gläubig, schreib die Vorstandsvorsitzende weiter. Aber am Tag der Attacke habe sie gebetet. „Für die Frau, die zehn Meter von mir entfernt ihr Kind verlor. Und ich werde bitten, dass die Tatsache, dass der Idiot, der das tat Eritreer war, das Klima in Deutschland nicht weiter vergiftet...“

(mja)
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