"Zentrum für Politische Schönheit" Berliner Polizei verbietet Protestaktion mit Leichen

Berlin · Die Künstlergruppe "Zentrum für Politische Schönheit" (ZPS) sorgt seit Tagen mit drastischen Aktionen für Aufsehen, die auf das Leid der Flüchtlinge aufmerksam machen sollen. Für Sonntag hatten die Aktivisten angekündigt, Leichname vor das Bundeskanzleramt zu schaffen und dort zu bestatten.

 Auf dem Alten Zwölf-Apostel-Kirchhof in Berlin wurde am Freitag die Leiche eines syrischen Flüchtlings bestattet, dessen Name nicht genannt wurde.

Auf dem Alten Zwölf-Apostel-Kirchhof in Berlin wurde am Freitag die Leiche eines syrischen Flüchtlings bestattet, dessen Name nicht genannt wurde.

Foto: afp, jd/agz

Die Berliner Polizei hat der Aktivistengruppe einen Auflagenbescheid zugestellt, der "Spiegel Online" vorliegt und den die Gruppe bei Facebook veröffentlicht hat.

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Darin wird dem ZPS unter anderem verboten, bis direkt vor das Kanzleramt zu ziehen. Der Protestzug soll kurz vorher enden. Außerdem will die Polizei verhindern, dass Leichen durch die Berliner Straßen gefahren werden. Alle Fahrzeuge, Särge und "jedes sargähnliche Behältnis in ähnlicher Größe" müssten vorher zur Kontrolle vorgeführt werden. Auch der Einsatz eines Baggers, wie von den Aktivisten angekündigt, wurde der Gruppe verboten.

Bei den Leichen handelt es sich nach Angaben des ZPS um die exhumierten Körper von Flüchtlingen, die auf ihrem Weg nach Europa ums Leben gekommen sind. Die Aktivisten hatten angekündigt, vor dem Bundeskanzleramt "die Grundsteine des Vorplatzes für ein Friedhofsfeld der Superlative aufstemmen". Ob die Aktivisten tatsächlich vorhatten, diese Ankündigung umzusetzen, bleibt unklar. Der Protestzug soll trotz der Auflagen stattfinden.

Der Gründer des ZPS, Philipp Ruch, bezeichnete die Auflagen gegenüber "Spiegel Online" als "massiven Eingriff des Bundeskanzleramts in die Kunstfreiheit in diesem Land". Auf ihrer Facebook-Seite schreiben die Aktivisten, das Bundeskanzleramt wolle "jede halbwegs ikonische Sichtbarkeit" der Flüchtlingstode verhindern.

"Überschreitet eine moralische Grenze"

Die geplante Aktion des ZPS war bereits seit Tagen von Politikern scharf kritisiert worden. Die Flüchtlingsbeauftragte der Bundesregierung, Staatsministerin Aydan Özoguz (SPD), etwa sagte der "Welt": "Bei allem Verständnis für die Wut der Aktivisten angesichts der vielen tausend ertrunkenen Flüchtlinge im Mittelmeer - ein Spektakel mit Leichen zu inszenieren, überschreitet eine moralische Grenze." Kunst dürfe weh tun, sie dürfe sich auch drastischer Methoden bedienen, aber diese Aktion instrumentalisiere die Opfer.

Auch der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), kritisierte die Künstlergruppe: "Bei allem Respekt vor humanitärem Engagement: Mit solchen Aktionen werden Grenzen der Pietät überschritten", sagte Bosbach der Zeitung. Es sei bedauerlich, "dass das ebenso wichtige wie sensible Thema Flüchtlingsschutz auf diese Weise behandelt wird."

Der geplante Protest vor dem Kanzleramt ist Teil einer Aktion mit dem Titel "Die Toten kommen", in deren Rahmen in den vergangenen Tagen bereits mehrere tote Flüchtlinge auf deutschen Friedhöfen bestattet wurden. Nach Angaben der Aktivisten ist die Exhumierung der Flüchtlinge, die bei ihrer Flucht nach Europa ums Leben kamen, mit den Familien der Opfer abgesprochen. Die Toten würden in Würde und mit religiösen Riten bestattet, anstatt - wie bei ihrer ersten Beerdigung - nur "verscharrt" zu werden.

Zuletzt sorgte die Künstlergruppe im Jahr 2014 mit einer Aktion für Diskussionen, bei der sie Gedenkkreuze für Berliner Maueropfer entwendete. Diese tauchten wenig später wieder auf, ebenso wie Fotos, welche die Kreuze gemeinsam mit Flüchtlingen an den Außengrenzen Europas zeigen.

Mit Material von KNA.

(jco)
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