Demjanjuk weist Anschuldigung zurück "Wurde nach Deutschland zwangsdeportiert"

München (RPO). Der mutmaßliche KZ-Wächter John Demjanjuk hat erstmals die Anklage wegen Beihilfe zum Mord zurückgewiesen. Er sei nach 30 Jahren juristischer Verfolgung "nach Deutschland zwangsdeportiert worden, wo eine im Kern falsche Anklage wegen Beihilfe zum Mord erhoben wurde", erklärte er am Dienstag in einer von seinem Verteidiger Ulrich Busch verlesenen Stellungnahme im Prozess vor dem Landgericht München.

 Der angeklagte John Demjanjuk lässt sich am Mittwoch in den Gerichtssaal schieben.

Der angeklagte John Demjanjuk lässt sich am Mittwoch in den Gerichtssaal schieben.

Foto: ddp, ddp

Der gebürtige Ukrainer bezeichnete sich als "Kriegsgefangener" und erklärte, er erlebe das Verfahren gegen ihn als fortgesetztes Unrecht Deutschlands. "Es ist Unrecht, dass man aus einem Kriegsgefangenen einen Kriegsverbrecher machen will."

Die Staatsanwaltschaft legt dem im vergangenen Mai aus seiner Wahlheimat USA ausgelieferten Demjanjuk zur Last, 1943 als freiwilliger ausländischer Wachmann am Mord von fast 28.000 Menschen im Vernichtungslager Sobibor beteiligt gewesen zu sein. Bislang hatte Demjanjuk zu den Vorwürfen geschwiegen und sich auch nicht dazu geäußert, ob er jemals in Sobibor war.

Der 90-Jährige griff die deutsche Justiz in seiner ersten Erklärung vor Gericht scharf an. "Ich bin dem Pflegepersonal dankbar, das hilft, meine großen Schmerzen zu mindern, um den von mir als Folter und Tortur empfundenen Prozess durchzuführen", ließ Demjanjuk erklären, der an der Verhandlung erneut regungslos und liegend mit einer dunklen Sonnenbrille teilnahm.

"Ein elendiges Leben geführt"

"Deutschland ist schuld an dem Vernichtungskrieg, durch den ich meine Heimat verloren habe und Kriegsgefangener geworden bin." Auch sei Deutschland dafür verantwortlich, dass er als Heimatloser nach Kriegsende "ein elendiges Leben führen musste". Es verstoße gegen das juristische Gleichbehandlungsgebot, dass er sich in Deutschland erneut für einen Vorwurf verantworten müsse, den das höchste israelische Gericht als nicht beweisbar eingestuft habe.

Seine Verteidiger beantragten erneut die Aussetzung und Einstellung des Verfahrens, da Akten unvollständig und nur zu Lasten ihres Mandanten beigezogen worden seien.

Bei den Rechtsvertretern der Angehörigen der Sobibor-Opfer, stieß Demjanjuks Erklärung auf Protest. "Die Position der Nebenkläger ist nicht die Relativierung der Schuld der Deutschen. Jede solche Interpretation ist eine Frechheit", sagte ein Anwalt der Nebenklage. "Er hat nicht das geringste Verständnis für die Opfer."

Experte: Ausweisfoto echt

Vor Gericht bekräftigte am Dienstag ein früherer Experte des Bundeskriminalamts, das Foto auf einem Wachmann-Dienstausweis aus dem Vernichtungslager zeige sehr wahrscheinlich den Angeklagten.

Für den israelischen Prozess gegen den mutmaßlichen NS-Verbrecher 1987 hatte der Fachmann ein Gutachten angefertigt und Reproduktionen des Ausweisfotos mit anderen Porträtaufnahmen aus gleicher und späterer Zeit im Detail verglichen. "Die Gesamtzahl der Merkmale führt zu der Aussage, dass es sich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit um ein und dieselbe Person handelt", sagte der Gutachter.

Die Verteidigung zieht die Echtheit des Fotos von 1943 und des Dienstausweises in Zweifel. Das Dokument gilt in dem Verfahren als eines der zentralen Beweisstücke.

(RTR/csr)
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