Kollektion für van Laack aus Mönchengladbach Wolfgang Joop erfindet die „Shirt-Life-Balance“

Berlin · Der Modeschöpfer startet mit 74 noch einmal durch und entwirft Hemden für die Meisterwerk-Kollektion von van Laack aus Mönchengladbach. Die nunmehr dritte Karriere bewahre ihn vor Melancholie und Depression, sagt er.

 Wolfgang Joop mit einem Model im van-Laack-Hemd auf der Berliner Fashion Week.

Wolfgang Joop mit einem Model im van-Laack-Hemd auf der Berliner Fashion Week.

Foto: dpa/Monika Skolimowska

Er erinnert sich noch gut an seine Konfirmation – damals Ende der 50er Wirtschaftswunder-Jahre zur Hoch-Zeit bügelfreier Hemden aus Nyltest. „Ich habe mich geweigert, solch ein schweißtreibendes Teil zu tragen – mit einem Kragen, der am Hals scheuerte und dünne Spinnfäden in meinem jugendlichen Bart hinterließ“, sagt Modeschöpfer Wolfgang Joop. Also hat er seine Eltern überredet, ihm ein weißes Hemd aus dem Hause van Laack zu kaufen.

Es scheint also eine Fügung zu sein, dass Joop nun – 60 Jahre später – sein Comeback in der Modewelt als neuer Kreativdirektor des 1881 gegründeten Mönchengladbacher Textilunternehmens van Laack feiert. Für diese Firma, die mit ihren weißen Hemden weltberühmt wurde, entwirft der 74-jährige Kreative aus Potsdam die sogenannte Meisterwerk-Kollektion für Frauen und Männer. Mit viel Mut zur Farbe, ausgefallenen Drucken, Karo-Interpretationen auf luxuriösen Stoffen ist Joops Debüt für van Laack weit entfernt vom konservativen Business-Look.

Seine neue Aufgabe sei wie eine Wiederauferstehung – „Ich bin noch nicht eingeschlafen“ –, die ihn sehr dankbar macht. Bei der Berliner Fashion Week ist Wolfgang Joop aufgeregt und angespannt, kann sein Glück kaum glauben: Denn erst vor ein paar Wochen nach einer zufälligen Begegnung in der Berliner „Paris Bar“ hat Christian von Daniels, Inhaber und Geschäftsführer von van Laack, ihn gefragt, ob er das klassische Bürohemd neu erfinden kann. Klar, Joop kann und erfindet das „Shirt-Life-Balance“ mit der Mode-Maxime: Entspannung und Überraschung statt Biederkeit und überholter Etikette. Entstanden ist ein Hybrid-Hemd, das schlicht und formell aussieht. Zudem macht es dank elastischer Einsätze an den Seiten „schlank, ist bequem und fantastisch in der Bewegung“. Er sei schon immer „shirtaffin“ gewesen, so Joop: „Alle meine Kleider waren Variationen von Oberhemden.“

In Mönchengladbach soll die neue, zeitlich unbefristete Allianz für frischen Wind im Familienunternehmen sorgen – und natürlich für ökonomischen Erfolg. Joop erschließe, so von Daniels, neue Zielgruppen. Schließlich kennen ihn seit seinem Auftritt als Juror bei Heidi Klums Show Germanys next Topmodel auch die „Millennials“.

Warum jedoch mischt einer wie Joop – neben Karl Lagerfeld und Jil Sander der erfolgreichste deutsche Modedesigner – überhaupt noch im Mode-Zirkus mit? Er hat doch eigentlich alles erreicht. Mit dem Label „JOOP!“ hat er in den 80er Jahren seinen Namen zu einem Markenzeichen für Mode und Parfüm gemacht. 1998 verkaufte er seine Firma, 2001 stieg er ganz aus. Dann das Comeback mit dem Luxus-Label „Wunderkind“ mit Sitz in der Villa Rumpf in Potsdam, später dann in Berlin. Seit 2017 hat er sein Label abgegeben: Gleichzeitig Unternehmer und Kreativdirektor zu sein, hat wirtschaftlich nicht funktioniert.

Jetzt will es Joop noch einmal wissen: „Wer einmal Mode gemacht hat, gehört zu den Mode-Menschen, wir brauchen diese Erregung, wir brauchen dieses Gefühl, an diesem Stück Zeit mitzuarbeiten. Denn Mode ist ja kein Kleidungsstück. Das verwechseln die Leute immer. Mode ist ein sehr begrenzter Zeitabschnitt, in dem bestimmte Dinge passieren. Sei es die Musik, unser Sexualverhalten oder das iPhone und diese Art von Kommunikation – alles ist der Mode unterworfen.“

Joop gefällt „die Kombination aus Traditionsunternehmen und meinem revolutionären Geist“. Er braucht den Applaus so wie seine Kreativität und will zeigen, was er kann, seine Handwerks- und Zeichenkünste. „Bei mir kommt alles aus einer Hand so wie früher bei den großen Couturiers. Mit kleinen Tricks wollen wir den Alltag schöner machen“, sagt er. Er komme sich dabei richtig altmodisch vor, weil keiner seiner Praktikanten mehr zeichnen könne. Alle hingen am Computer, und wenn er abends gucken wolle, was sie eigentlich gemacht hätten, habe er das Passwort nicht, erzählt Joop. 

In einer Zeit voller Überfluss („Ich unterstütze den Protest der jungen Leute“) geht es ihm um Dinge, die man besitzen und pflegen will. Er nimmt Musterteile aus seinem Kleiderschrank – wie ein altes Cowboyhemd von Roberto Cavalli oder eine ersteigerte Lederjacke von Johnny Hallyday oder verwendet extravagante Drucke, die an Wunderkind erinnern, und macht daraus Neues. Bei seinem umjubelten Auftritt im KaDeWe auf der Berliner Fashion Week, die am Samstag zu Ende gegangen ist, trägt Wolfgang Joop („Ich bin in einer Zeit des Mangels groß geworden“) eine 30 Jahre alte Jacke von Comme des Gar­çons, eine Bundfaltenhose von Yoji Yamamoto und dazu ein Meisterwerk-Shirt aus eigener Feder.

Im Herbst wird der fünffache Großvater 75 Jahre alt. Joop – mit Giorgio Armani und Ralph Lauren einer der letzten aus der alten Modeschöpfer-Garde – denkt nicht an Rückzug. Im Gegenteil, er sei wie eine Schildkröte. „Mit der neuen Kollektion beschreite ich meine dritte Karriere. Ich bin ein Beginner. Und wenn ich beginne, kann ich nicht abtreten.“ Die Arbeit beflügelt ihn, bewahrt das Kreativ-Genie vor Melancholie und Depression, „die einem Künstler vertraut sind“. Außerdem steht schon bald der nächste große Auftritt ins Haus: Im Herbst kommt seine Autobiografie auf den Markt, die er Seite um Seite handgeschrieben hat. Das Buch sei keine Abrechnung, sondern ein buntes Kaleidoskop seiner Erinnerungen und garantiert nicht langweilig.

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