Berliner Verkehr vor dem Infarkt Wirtschaft warnt vor Kollaps des Straßennetzes

Berlin (RPO). Der Hauptstadt droht der Verkehrs-Kollaps: Die Avus war am Dienstagabend und in der Nacht zum Mittwoch gesperrt. Der Grund: Bauarbeiten nach Unterspülung der Fahrbahn durch starke Regenfälle.

Schlagloch-Ärger: Fünf Tipps für Autofahrer
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Foto: ddp

Dass eine der wichtigsten Verkehrsadern Berlins durch mehrere Tage Dauerregen weggespült zu werden drohte, erinnert eher an schlecht befestigte Straßen in Entwicklungsländern wie Indonesiens Trans-Sumatra-Highway, von dem während der Monsunzeit schon mal ganze Abschnitte weggeschwemmt werden. Aber dieses Bild ist offenbar symptomatisch für den Straßenzustand der Hauptstadt der viertgrößten Volkswirtschaft der Welt.

Autofahrer in Berlin stöhnen schon lange über von Schlaglöchern übersäte Hauptstraßen. Und auch für Fahrradfahrer sind solche gravierenden Schäden im Straßenbelag gefährlich. So berichtete die verkehrspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Claudia Hämmerling, am Mittwoch auf einer Podiumsdiskussion zum Zustand des Berliner Straßennetzes ihren Fachkollegen aus dem Abgeordnetenhaus, wie sie am Vortag mit ihrem Fahrrad in ein mit Regenwasser gefülltes und deswegen nicht zu erkennendes Schlagloch "gefallen" sei.

Großteil der Berliner Straßen muss dringend saniert werden

Zu dem Gesprächsforum hatte die regionale Verkehrs- und Bauwirtschaft geladen. Sie beklagt schon seit Jahren den desolaten Straßenzustand in Berlin. Gebracht haben die Klagen und Rufe nach Besserung anscheinend nicht viel.

Berlins Straßen seien so schlecht wie nie zuvor, sagte der Vize-Vorsitzende der Vereinigung der Straßenbau- und Verkehrsingenieure Berlin-Brandenburg, Bernd Dudenhöfer. Von den 5.700 Kilometern Straße in Berlin seien mittlerweile 4.000 Kilometer dringend sanierungsbedürftig.

Außerdem habe das Berliner Verkehrsnetz von durchschnittlich 60 Jahren Straßennutzungsdauer bereits 55 Jahre hinter sich, ergänzte Dudenhöfer. "Notwendige Instandhaltungs- und Erneuerungsmaßnahmen erfolgen bislang jedoch nur in sehr geringem Maße."

Jährlich müssten 250 Millionen Euro investiert werden

Der Geologe Dudenhöfer warnte vor dem "endgültigen Kollaps" des Straßennetzes. Der drohende Zusammenbruch sei nur durch eine Verdreifachung der derzeitigen Mittel für Sanierung und Erneuerung der Straßen abzuwenden. Jedes Jahr müssten 250 Millionen Euro in Berlins Straßen investiert werden, davon 150 Millionen Euro für die Sanierung und 100 Millionen Euro für Straßenerneuerung. Im laufenden Haushalt habe der Senat dafür jedoch nur 74 Millionen Euro bereitgestellt.

Dudenhöfer verwies darauf, dass diese Zahlen grobe Mindestschätzungen seien. Denn verlässliche Daten über den Zustand der Straßen gebe es nicht, weil der Senat den Straßenzustand nicht systematisch erfasse. Dies sei aber Grundvoraussetzung, um den Mittelbedarf zu errechnen und die Bauarbeiten seriös zu planen.

Von den auf dem Podium vertretenen Politikern konnte keiner auch nur ein ansatzweise tragfähiges Konzept zur Lösung des Problems präsentieren. Hämmerling unterstützte die Forderung nach Erfassung des Straßenzustands. Vor allem sollten die zur Verfügung stehenden Mittel in die Sanierung der Verkehrswege und nicht in den Neubau investiert werden, forderte die Grünen-Politikerin.

Dagegen zweifelte der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Christian Gaebler, am Sinn eines Straßenkatasters. Statt sich jahrelang mit der Schadenserfassung zu beschäftigen, müsste mit Sonderprogrammen, wie sie der Senat aufgelegt habe, auf die Situation reagiert werden.

Das größte Problem sei aber derzeit, die Mittel so einzustellen, dass sie auch tatsächlich für die Straßensanierung verwendet würden, sagte Gaebler. Die für die Instandhaltung der Verkehrswege zumeist zuständigen Bezirke schichteten die Finanzen teilweise in andere Projekte um.

(DAPD/felt)
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