Pfarrer feiert erotischen Gottesdienst "Willkommen im Weinberg der Liebe"

Wiesbaden · Eintritt erst ab 16, eine sinnliche Atmosphäre und Gespräche über Erotik - das klingt nicht nach Kirche. In Wiesbaden hat ein evangelischer Pfarrer aber genau das für seinen Gottesdienst am Sonntag angekündigt. Thema: Erotik und Sexualität.

 "Willkommen im Weinberg der Liebe", eröffnet Pfarrer Schmidt den Gottesdienst. Die Kirche war rappelvoll.

"Willkommen im Weinberg der Liebe", eröffnet Pfarrer Schmidt den Gottesdienst. Die Kirche war rappelvoll.

Foto: dpa, Arne Dedert

Pfarrer Ralf Schmidt aus dem Wiesbadener Stadtteil Mainz-Kastel hat zu einem erotischen Gottesdienst eingeladen - und ist überrascht, wie viel Resonanz das ausgelöst hat. Die Kirchenbänke sind bis auf den letzten Platz besetzt; einige Gemeindemitglieder schauen etwas ungläubig drein angesichts der vielen Pressevertreter.

"Willkommen im Weinberg der Liebe", eröffnet Pfarrer Schmidt den Gottesdienst. Er wolle alle Sinne berühren, um die Sinnlichkeit und Erotik des Lebens zu zeigen, sagt er. Zunächst wirkt seine Predigt ganz normal, doch die Bibelzitate zeigen, worauf Schmidt abzielt: Liebe in ihren verschieden Formen, von sexueller zu spiritueller.

"Der erotische Gottesdienst will Gottes Zärtlichkeit preisen", sagt Schmidt. Doch einige würden vielleicht enttäuscht werden. Tatsächlich verzichtet Schmidt auf Teile seiner Predigt und die derben Wörter, die er angekündigt hatte. Er erklärt das mit dem verstärkten Medieninteresse. "Ich wollte nicht, dass ein paar vulgäre Wörter aus dem Kontext gerissen werden", sagt er nach dem Gottesdienst.

Liebe als Kunst

In der Predigt spricht Schmidt von Erotik als menschlichem Kernland. "Es ist eine lustvolle Erwartung hier im Raum", sagt er. Die werde in Kirchen zu selten benannt, dafür im Alltag inflationär und vulgär. Erotik sei von Gott gewollt und geschenkt. Provokant fragt der Pfarrer seine Gemeinde: "Bei ihnen alles klar mit Beten und Betterfahrung?"

Schmidt spricht von Liebe als eingeübter Kunst, von Landeplätzen der Lust am Körper und davon, dass auch sein eigener Beruf von der Erotik profitieren könne. "Vielleicht sollten wir öfter mit unseren Lieben ins Bett gehen, damit unsere Wörter schärfer und lebendiger werden", sagt der Pfarrer.

Tatsächlich hört man ein Gedicht, in dem von heißer Haut und einem "schnellen, grellen Wolkenbruch" die Rede ist, normalerweise nicht in der Kirche. Und auch Elvis Presleys "Love Me Tender" wirkt auf der Orgel eher ungewöhnlich. Der wiegende Tanz, bei dem sich alle an den Händen halten, soll Nähe vermitteln.

Als der Pfarrer eine Salbung mit Duftöl als zärtliches Zeichen ankündigt, zögern die Gemeindemitglieder zunächst deutlich angesichts der Kameras, die sich um den Altar aufbauen. "Ich konnte die Presse gut ausblenden. Bei den Besuchern weiß ich es nicht", sagt Schmidt. Beim Abendmahl zeigt sich dann der große Andrang:
Anstatt sich um den Altar zu versammeln, müssen sich die Kirchgänger in Reihen anstellen.

Vereinzelte Kritik

Schmidt glaubt nicht, dass er jemanden vor den Kopf gestoßen hat.
"Die Gemeinde hat mich auch bei schwierigen Themen getragen", sagt er. Trotzdem habe es in den Wochen vor dem Gottesdienst vereinzelt Kritik gegeben. "Einige fanden nicht, dass man solche Worte in der Predigt benutzen sollte. Daraus haben sich gute Gespräche entwickelt", sagt Schmidt.

Der Sprecher der evangelischen Landeskirche, Stephan Krebs, hatte zuvor gesagt, dass es nicht abwegig sei, einen Gottesdienst über Erotik zu halten. "Das Evangelium spricht auch Partnerschaft und Sexualität an. Der Pfarrer hat nun die Verantwortung, es auf angemessene Weise zu verkünden", erklärte Krebs.

Schmidt hält den Gottesdienst für gelungen. "Es war trotz des Rummels in sich stimmig", sagt er im Anschluss. Das findet auch die Gemeinde. Ihr habe es gut gefallen, sagt die 70-jährige Helga Gropp.

Sinnlichkeit kommt vom Gott

Allerdings hätte man die frisch Konfirmierten wegen ihres Alters nicht vom Gottesdienst ausschließen sollen. "Dann hätte der Pfarrer eben etwas auslassen sollen", meint sie.

Ulrike Stark gefällt der offene Umgang mit intimen Themen in der Kirche ebenfalls. "Ich fand die Aussage gut, dass die Sinnlichkeit nicht vom Teufel, sondern von Gott kommt", sagt die 55-Jährige. Auch der gleichaltrige Peter Wagner glaubt nicht, dass der Gottesdienst ein Tabubruch war. "Pfarrer Schmidt hat etwas sehr Eigenes und Gutes daraus gemacht", sagt er.

Sollen die Leute also nach der Kirche nach Hause gehen und Sex haben? "Es gibt Schlimmeres", sagt Pfarrer Schmidt und lacht.

(APD)
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