München-Panne löst Sicherheitsdebatte aus Wie groß sind die Lücken an den Flughäfen?
Berlin/München (RP). Nach dem Zwischenfall in München stellen sich viele Fragen: Sind die Mitarbeiter der Sicherheitsfirmen überfordert? Wer sucht sie aus? Worauf müssen sich Fluggäste nun einstellen?
Wer häufig auf deutschen Flughäfen unterwegs ist, der fühlt sich bei Starts von München aus gewöhnlich sicherer als auf manchen anderen. Die Flugkontrollen sind penibel. Aber ausgerechnet dort versagte die Sicherheit am Mittwoch kläglich.
Obwohl der Laptop eines etwa 50 Jahre alten, Englisch sprechenden Mannes bei der Durchleuchtung von Kollegen bereits als "nicht harmlos" bewertet worden war, und obwohl eine Mitarbeiterin dann selbst eine Standardüberprüfung auf Sprengstoff angeordnet hatte, ließ sie den Mann während der in einem Hinterzimmer laufenden Analyse per Gas-Chromatograph aus den Augen.
Als dann das den Verdacht verstärkende Ergebnis vorlag, war der Passagier verschwunden. Er war nicht kopflos geflüchtet, nicht gewaltsam in den Sicherheitsbereich eingedrungen, sondern hatte einfach sein Notebook wieder eingepackt, mit Passagieren geplaudert, seine Jacke übergestreift und war dann "in aller Gemütsruhe davonspaziert".
Möglicherweise bestand zu keiner Sekunde Gefahr für den Flugverkehr. An jeder Kontrollstelle des Münchner Flughafens ergibt die Sprengstoff-Untersuchung täglich acht bis zehn Mal "Verdacht", weil die Substanzen, auf die die Geräte anschlagen, nicht nur in Sprengstoffen, sondern auch in Parfümen und Ölen vorkommen. Doch die "Routinekontrolle" ließ sich dieses Mal nicht zu Ende führen. Der Mann war um 14.38 Uhr einfach weg. Und er saß vielleicht schon im Flieger, als die Bundespolizei um 15.10 Uhr den Abflugbereich absperren ließ. Denn sie war zu spät informiert worden.
Der schwerwiegende Doppelfehler der seit 20 Jahren erfahrenen Mitarbeiterin wirft die Frage nach dem Standard des Personals auf. Solche Pannen könnten passieren, da die Passagierzahlen stetig zugenommen hätten und der betriebswirtschaftliche Druck auf die Mitarbeiter immer größer werde: Die Anforderungen an die Luftsicherheit seien "dramatisch gestiegen." Gleichzeitig hätten sich aber die sozialen Bedingungen verschlechtert, sagte der Chef der Gewerkschaft der Polizei, Josef Scheuring. Seine Forderung: Die Fluggastkontrolle müsse wieder verstaatlicht werden, damit dort Menschen mit guter Ausbildung eingesetzt würden.
Mit dem Vorfall in München hat er sich jedoch einen denkbar schlechten Beleg ausgesucht. Der Freistaat hat die Kontrolle nämlich der staatseigenen Sicherheitsgesellschaft SGM übertragen, und die Verantwortung der Regierung von Oberbayern. Die Kontrolleure werden nach deren Angaben nach Tarif im öffentlichen Dienst bezahlt.
Sind die Passagiere an anderen Flughäfen deshalb größeren Gefährdungen ausgesetzt? Immer wieder geistert die Schreckvision durch die Diskussion, dass die privaten Sicherheitsfirmen es nicht so genau nehmen und auch mal schlechter ausgebildete Billiglöhner zweifelhafter (al-Qaida?) Herkunft einsetzen könnten.
Dem widerspricht der Branchenverband Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen energisch. Die über 12.000 Mitarbeiter im Einsatz nach dem Luftsicherheitsgesetz lieferten eine hohe Dienstleistungsqualität. In Düsseldorf erhielten sie etwa 2100 Euro Lohn für die Fluggastkontrolle. Ausbildung, Schulung und Kontrolle lägen weiterhin bei den Luftsicherheitsbehörden.
Danach kommt niemand zum Einsatz, der nicht vorher eine mindestens 164 Stunden währende Grundausbildung und nachfolgende Prüfungen erfolgreich absolviert hat. Hinzu kommt eine Zuverlässigkeitsprüfung, bei der die Behörden sicherheitsrelevante persönliche Hintergründe abklären. Bewerber, die Kontakte in verdächtige Länder nicht erklären könnten, hätten keine Chance auf Einstellung, heißt es in Verbandskreisen.
Dazu komme die praktische Ausbildung — und immer wieder auch "Realkontrollen". Im laufenden Betrieb wird dann unangekündigt die Aufmerksamkeit der Mitarbeiter getestet und festgestellt, ob sie Messer oder andere verdächtige Mittel und Gerätschaften auch sicher herausfiltern. "Wer hier versagt, ist seinen Job auch los", berichtet ein Insider.
Der viel diskutierte Körper-Scanner hätte in München auch nichts ausrichten können. Dennoch brachte Innenminister Thomas de Maiziere am Donnerstag eine neue Anregung auf den Weg: Nach der offiziellen Einführung irgendwann diesen Sommer könne man zwei parallele Abfertigungen vorsehen: Eine freiwillige mit "Nacktscanner" und eine Standardspur mit herkömmlichem Abtasten. Dann könne sich zeigen, ob die neuen Geräte von den Passagieren akzeptiert würden.
Wichtig bleibt, wie München zeigt, aber auch dann die Wachsamkeit der Kontrolleure. Ralph Beisel vom Flughafenverband ADV: "Wir finden fast wöchentlich Waffen oder sprengstofftaugliches Material im Handgepäck." Allerdings sei offen, ob die Passagiere damit tatsächlich einen Anschlag verüben wollten oder einfach nur unfassbar gedankenlos seien. "Letzte Woche hatte einer eine Axt im Handgepäck", erinnert sich Beisel. Der habe sich nur gewundert, dass er damit Ärger bekam. Schließlich habe er damit "lediglich sein Ferienhaus ausrüsten" wollen.