Nach Ausbruch aus dem Gefängnis Was wusste die Justizministerin?

Aachen/Düsseldorf (RPO). Nach dem Ausbruch von zwei Schwerverbrechern aus der Justizvollzugsanstalt (JVA) Aachen gerät Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) immer stärker unter politischen Druck. Schon im August soll der Personalrats der JVA in einem Brief an sie über erhebliche Sicherheitsmängel geklagt haben.

Aachener Schwerverbrecher - Stationen der Flucht
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Aachener Schwerverbrecher - Stationen der Flucht

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Foto: ddp

Der Rechtsausschuss des Düsseldorfers Landtags kommt am Freitag (4. Dezember, 11 Uhr) zu einer Sondersitzung zusammen. SPD und Grüne fordern Aufklärung darüber, wie die gefährlichen Kriminellen aus einer modernen Haftanstalt ausbrechen konnten.

Am Dienstag war der schwerkriminelle Ausbrecher Peter Paul Michalski am Niederrhein gefasst worden. Bereits am Sonntag war der mit Michalski geflohene Schwerverbrecher Michael Heckhoff in Mülheim an der Ruhr von einem Spezialeinsatzkommando festgenommen worden. Die beiden Gefängnisausbrecher waren bewaffnet von Aachen nach Köln und von dort ins Ruhrgebiet geflüchtet.

Ein Mitgefangener und ein JVA-Bediensteter sollen den beiden Ausbrechern nach Angaben Müller-Piepenkötters vom Dienstag geholfen haben. Die Ministerin steht seit Jahren aufgrund von wiederholten Justizpannen in der Kritik.

Wusste Müller-Piepenkötter von Sicherheitsbedenken

Wie die "Aktuelle Stunde" des WDR am Mittwoch berichtete, wusste die Ministerin bereits Ende August von Sicherheitsbedenken der Bediensteten in der JVA Aachen. In einem persönlich adressierten Schreiben des Personalrats der JVA an die Ministerin, das dem WDR vorliegt, heißt es: "Bei einem Stand von etwa 50.000 Überstunden möchten wir Sie hiermit höflich auf Ihre Fürsorgepflicht gegenüber den Bediensteten der JVA Aachen hinweisen. Zum Beispiel waren in 35 Kalenderwochen im Frühdienst durchschnittlich 13 Dienstposten, im Spätdienst 13 Dienstposten, im Tagesdienst 8 Dienstposten und im Nachtdienst 3 Dienstposten nicht besetzt."

Es komme immer wieder zu Übergriffen auf Bedienstete sowie zu Übergriffen unter Gefangenen. "Aus der Sicht des hiesigen Personalrates ist die Sicherheit der Anstalt nicht mehr gewährleistet."

In der Antwort vom 8. Oktober 2009, die der "Aktuellen Stunde" ebenfalls vorliegt, weist das Justizministerium die Verantwortung für diese Zustände zurück und verweist auf beschlossene Maßnahmen der JVA-Leitung.

Aachener Staatsanwaltschaft untersucht Flucht

Die Aachener Staatsanwaltschaft untersucht derweil weiter die Hintergründe der Flucht. So wurde gegen einen 35-jährigen Strafgefangenen ein Ermittlungsverfahren wegen Beihilfe zur Freiheitsberaubung eingeleitet. Der Mann verbüßt seine Strafe im offenen Vollzug und war just in dem Moment mit einem Taxi vor der JVA Aachen vorgefahren, als Heckhoff und Michalski das Gefängnis verließen. Diese konnten das Taxi dann für ihre weitere Flucht nutzen. "Wir gehen davon aus, dass dieses Zusammentreffen kein Zufall war", erklärte der Aachener Oberstaatsanwalt Robert Deller am Mittwoch.

Schließlich sei der Freigänger erheblich zu spät zur JVA zurückgekehrt und habe dafür nur "eine fadenscheinige Entschuldigung vorbringen" können. Auch waren die Männer im selben Hafthaus untergebracht, womit sie sich hätten absprechen können.

Der unter dem Verdacht der Beihilfe verhaftete JVA-Bedienstete verweigert weiter die Aussage. Zusätzlich leitete die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Verrats von Dienstgeheimnissen ein. Hintergrund ist ein Bericht der "Bild"-Zeitung mit angeblichen Details aus der Vernehmung von Heckhoff. Die Ermittlungen richteten sich gegen Unbekannt, betonte Deller.

(DDP/felt)
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