Bilanz einer Deutschlandreise Was vom Papst-Besuch bleibt

Düsseldorf (RP). Zu den hartnäckigsten Störenfrieden des Papstbesuches zählten unsere hohen Erwartungen – die Hoffnung also auf vehemente Impulse für die Ökumene, die Ermutigung zu innerkirchlichen Reformen sowie, auf der anderen Seite, die grimmige Lust der Kritiker, die der Papst-Rede einen mehr oder weniger verwaisten Bundestag wünschten.

Lesermeinungen zum Papstbesuch in Deutschland
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Foto: AFP

Düsseldorf (RP). Zu den hartnäckigsten Störenfrieden des Papstbesuches zählten unsere hohen Erwartungen — die Hoffnung also auf vehemente Impulse für die Ökumene, die Ermutigung zu innerkirchlichen Reformen sowie, auf der anderen Seite, die grimmige Lust der Kritiker, die der Papst-Rede einen mehr oder weniger verwaisten Bundestag wünschten.

Genährt wurden diese extremen Gefühlslagen von dem Bewusstsein, dass die mehrtägige Reise des deutschen Papstes in seine Heimat und ins Stammland der Reformation eine historische sein wird. Unsere Vorstellung von einer solchen Einzigartigkeit hat jede Station — von Berlin bis Erfurt und Freiburg — mit einer Bedeutung aufgeladen, bei der das Mögliche zeitweilig aus dem Blick geriet.

Solche Worte einer nüchternen Bilanz müssen gerade zum Abschluss der Reise wie ein krasser Gegensatz erscheinen: Haben nicht erst am Sonntag 100.000 Menschen bei schönstem Breisgauer Sonnenschein mit Benedikt XVI. einen Abschlussgottesdienst gefeiert? Und waren am Abend zuvor nicht viele Tausend Jugendliche zur stimmungsvollen Vigil erschienen?

Am Montag kehrt die Realität zurück

Von der sorgsam gestalteten Liturgie der Papstmesse bis hin zum frommen Event mit Liedern aus dem unerschöpflichen Reservoir des Sakropops wurde etwas vom Mysterium des Glaubens spürbar und der Faszination von Kirche. Und mittendrin ein in sich ruhender Papst, der sechs Jahre nach seiner Wahl im Amt des Pontifexes angekommen zu sein scheint. All das Momente einer schönen, heilen katholischen Welt.

Am Tag nach Benedikt XVI. sieht die deutsche Wirklichkeit der Kirche wieder anders aus. Denn die alten Probleme sind nach Abreise des Heiligen Vaters auch die neuen: die stetig sinkende Zahl von Kirchenmitgliedern, die Zusammenlegung von Gemeinden zu kolossalen Pfarreinheiten, in denen Seelsorge kaum noch möglich ist; schließlich ein Priestermangel, den selbst kühle Köpfe inzwischen als dramatisch bezeichnen.

Woher bei diesem stetigen Abwärtstrend sich überhaupt Kräfte für eine Revitalisierung entwickeln können, bleibt nach wie vor unbeantwortet.

Vier Tage voller bewegender Bilder

Auch das viertägige Glaubensfest mit Benedikt XVI. wird daran nichts ändern. Die Erfahrungen des weit größeren Weltjugendtages 2005 in Köln haben gezeigt, dass selbst Kirchenfeste im XXL-Format langfristig keine Renaissance des Glaubens auslösen, so schön es auch klingen mag und so oft es beschworen wird. Darum dürften die Papst-Worte vom Wochenende auch eher den katholischen Alltag in Deutschland umschrieben haben, als Benedikt vor "lauen Christen" und vor Trägheit warnte, zu christlicher Demut aufrief und zur einträchtigen Zusammenarbeit von Priestern und Laien.

Wir haben in den vergangenen vier Tagen bewegende Bilder zu sehen bekommen. Keins aber — völlig zu Recht — vom bewegendsten: vom Treffen des Papstes mit Opfern des sexuellen Missbrauchs durch katholische Priester. Solche denkwürdigen Begegnungen gehören für Benedikt XVI. mittlerweile zum festen Bestandteil jeder Reise. Es war in Australien so und in den USA, in England, auf Malta.

Über eine Rede ist das letzte Wort noch nicht gesprochen

Dass jetzt in Deutschland vor allem von den Opferverbänden dazu Kritik kam, ist dennoch nachvollziehbar. Denn alle Gesprächsteilnehmer hatte die Bischofskonferenz ausgesucht; Anfragen von den Opferverbänden im Vorfeld sollen unbeantwortet geblieben sein. Auch hätte sich die Chance ergeben, dass sich der Papst ein weiteres Mal öffentlich für das Geschehene entschuldigt.

Über Benedikts Rede im Bundestag — gern als Philosophie-Vorlesung in den Bereich des Unverbindlichen abgeschoben — wird künftig fruchtbringend noch zu reden sein. Weil die Papstworte über das Naturrecht und die Gewissensentscheidung des Parlamentariers sehr wohl auch das Verhältnis von Staat und Kirche berühren. Entspringt doch nach kirchlichem Verständnis auch das Naturrecht einer Schöpferordnung. So kann nach dieser Lesart ein Parlamentarier mit seinem Gewissen am Ende immer nur aus dem schöpfen, was Gott in das Naturrecht hineinlegte.

Symbol der Trennung

Es bleibt wichtig, dass in Deutschland — gerade auch vor dem Hintergrund schuldhafter Verstrickungen von Kirchenvertretern im Dritten Reich — immer wieder über das spannungsreiche Verhältnis von Kirche und Staat wie auch über Chance und Gefahr eines sanften Laizismus debattiert wird.

Der Besuch von Benedikt XVI. hat neben den vielen bunten und fröhlichen Bildern auch einige graue, stillere hinterlassen. Etwa jenes von den Delegationen der evangelischen und katholischen Kirche bei ihrer Begegnung im Erfurter Augustinerkloster, wie diese einander im Chorgestühl stumm gegenüber saßen. An alter Lutherstätte war das ein Symbolbild vor allem der Trennung.

An Deutlichkeit ließ Benedikt es nicht missen

Dabei hatte besonders dieses Treffen große Erwartungen geweckt. Kühne (vielleicht Tollkühne) träumten von einer gemeinsamen Erfurter Erklärung. Oder von der Aufhebung des Kirchenbanns gegen Luther. Es gab im Vorfeld dezente Hinweise, die die Phantasie beflügelten, so der Wunsch des Papstes, mehr Zeit für ein Gespräch mit dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Präses Nikolaus Schneider, zu haben.

Benedikt XVI. aber hat sehr deutlich werden lassen, dass die Grenze der Ökumene das Amtsverständnis ist und dass diese Grenze — etwa beim Abendmahl — erreicht zu sein scheint. Schneiders herzliche rheinische Art konnte dem Treffen zumindest eine brüderlich wirkende Atmosphäre geben. Mehr nicht. Sollte die Reise des Papstes tatsächlich von historischer Dimension gewesen sein, wäre das für die Ökumene in unserem Land eine mehr als bittere Bilanz.

(RP)
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