Ermittlungen zu Neonazi-Terrorzelle Von Beginn an waren "zahlreiche Morde" geplant

Karlsruhe · Die Zwickauer Neonazi-Terrorzelle hatte den Ermittlungen zufolge von Beginn an eine regelrechte Mordserie gegen Menschen mit ausländischer Abstammung in Deutschland beabsichtigt.

Neonazi-Mörder verhöhnen Opfer mit Video
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Neonazi-Mörder verhöhnen Opfer mit Video

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Diese "Zielsetzung zahlreicher Morde" habe die Auswertung von zwei sichergestellten Vorgängerversionen des menschenverachtenden Bekennervideos der Gruppierung ergeben, sagte Bundesanwalt Rainer Griesbaum am Mittwoch in Karlsruhe. Als Motiv werde darin der "Erhalt der deutschen Nation" genannt - im völkisch-rassischen Sinne.

Spätestens seit 2001 habe sich die Terrorgruppe den Namen "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) gegeben, sagte Griesbaum. Die drei mutmaßlichen NSU-Mitglieder Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe waren bereits Anfang 1998 untergetaucht.

14 Buttons für 14 potenzielle Opfer?

Beide Vorgängerversionen des bereits bekannten, zynischen "Paulchen-Panther"-Propagandavideos der NSU zeichnet laut Griesbaum "ein deutlich aggressiverer Charakter aus". Nach Angaben des Ermittlers sind die beiden sichergestellten Vorläufer mit Musik der rechten Band "Noie Werte" unterlegt. Diese aus dem Jahr 2001 stammenden Vorgänger-Filme bezögen sich auf mehrere der neun Morde an Kleinunternehmern und auf den Sprengstoffanschlag von 2001 in Köln.

Ein Vorgänger-Video zeige das NSU-Logo, umrandet von 14 Schaltflächen (Buttons), die aufblinken und dann "anschlagsbezogene Sequenzen ankündigen", so Griesbaum. Unklar sei aber noch, ob die 14 Buttons für 14 in Aussicht genommene Opfer stünden.

In beiden Vorgänger-Versionen wird den Angaben zufolge der ideologische Beweggrund deutlich. Nach jeder Sequenz werde der Name des Opfers in folgenden Satz eingesetzt: "(Name des Opfers) ist nun klar, wie ernst uns der Erhalt der deutschen Nation ist." Weitere Taten würden symbolisch durch "unverbrauchte" Buttons angekündigt - ausdrücklich durch den Schriftzug: "Heute ist nicht alle Tage, wir kommen wieder, keine Frage!"

Als Musiktitel der aus dem Großraum Stuttgart stammenden Band "Noie Werte", mit denen die Filmsequenzen untermalt seien, nannte Griesbaum "Kraft für Deutschland" und "Am Puls der Zeit".

Generalbundesanwalt Harald Range sagte, hinter den Morden an acht türkischstämmigen und einem griechischstämmigen Kleinunternehmern stecke eine "Gesinnung, die Menschen nichtdeutscher Herkunft jedes Lebensrecht abspricht".

Motiv für Mordanschlag auf Polizisten wird klarer

Unterdessen wird das Motiv für den Mordanschlag auf zwei Polizisten in Heilbronn im Jahr 2007 offenbar immer klarer. Nach dem bisherigen Ermittlungsstand seien die beiden Beamten zu Opfern der NSU-Terroristen geworden, weil sie "als Repräsentanten der wehrhaften Demokratie für die Verteidigung unserer Grundwerte einstanden", sagte Range. Im April 2007 wurde die Polizisten Michele Kiesewetter mutmaßlich von NSU-Terroristen erschossen. Ihr Kollege wurde schwer verletzt.

Bei den Ermittlungen der Bundesanwaltschaft gegen die NSU gibt es nach Angaben Griesbaums inzwischen sieben Beschuldigte, fünf davon seien bereits in Untersuchungshaft genommen worden. Gegen die anderen beiden werden Ermittlungsverfahren betrieben. Insgesamt hat die Bundesanwaltschaft rund ein Dutzend Verdächtige im Blick.

Schon mehr als 560 Hinweise aus der Bevölkerung

Laut Range gehen die Ermittler inzwischen mehr als 560 Hinweisen aus der Bevölkerung nach. "Ich bin zuversichtlich, dass wir am Ende mit den Mitteln des Rechtsstaates diese Verbrechen aufklären werden", betonte der Generalbundesanwalt. Die Bewertung des Beweisergebnisses stehe allein der Bundesanwaltschaft und danach den Gerichten zu. "Veröffentlichte Mutmaßungen anderer" könnten die Ermittlung der Wahrheit stören oder "sogar vereiteln", sagte Range.
Er gab sich optimistisch, die Mitgliedschaft von Zschäpe in der terroristischen Vereinigung mit Fakten belegen zu können, selbst wenn Zschäpe weiter schweigen sollte.

(APD)
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