Förster spricht über Auffinden von Julia „Um das zu schaffen, muss sie sehr geschickt gewesen sein“

Update | Waldmünchen/Cerchov · Nach zwei Nächten in dem riesigen Waldgebiet ist die achtjährige Julia lebend gefunden worden. Ein Förster entdeckte das Kind in einem Gebüsch. Das Mädchen ist unterdessen schon wieder wohlauf.

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Vermisste Julia im Böhmerwald gefunden

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Foto: dpa/Daniel Vogl

Zwei Tage und zwei Nächte verbrachte die achtjährige Julia aus Deutschland ganz allein im tschechischen Böhmerwald. Das Glück, sie lebend gefunden zu haben, ist für den Förster Martin Semecky noch immer überwältigend: „Das war ein unglaubliches Gefühl, diese Emotionen kann man gar nicht mit Worten beschreiben“, sagte der Tscheche. Das Mädchen konnte am Mittwoch bereits wieder das Krankenhaus verlassen. Es geht dem Kind nach Angaben der Polizei wieder gut.

Was nur ein Ausflug sein sollte, wurde zu einem Martyrium: Die Schülerin aus Berlin war am späten Sonntagnachmittag beim Wandern mit ihrer Familie im bayerisch-tschechischen Grenzgebiet spurlos verschwunden. Semecky und seine Kollegen suchten in Absprache mit der Einsatzleitung ein Waldstück ab, das knapp außerhalb des offiziellen Suchradius lag.

Er sei um ein Uhr mit zwei Kollegen in die Richtung von Bystřice aufgebrochen. Nach ungefähr hundert Metern hätten sie vor einem niedrigen Gebüsch gestanden. Auf einmal hätten sie die kleine Julia vor sich gesehen, erzählte der Förster. „Sie saß etwa zehn Meter weit weg im hohen Gras.“ Als er ihren Namen gesagt habe, habe das Kind nur mit dem Kopf genickt. Er habe gesagt: „Alles ist gut, super!“ Dann wickelte er sie in seine grüne Jacke, alarmierte die Einsatzzentrale und trug sie zum Auto, von wo aus der Suchtrupp sie dann zum Rettungdwagen brachte.

Semecky würdigte nun die Ausdauer des Mädchens in der Natur: „Als wir sie gesehen haben, glaubten wir unseren eigenen Augen nicht, dass das möglich und sie in Ordnung ist. Es ist ein Wunder, dass sie überlebt hat. Um das zu schaffen, muss sie sehr geschickt gewesen sein.“ Als sie gefunden war, habe er sie nicht zu sehr mit Fragen belasten wollen, sagte der Förster. „Sie wirkte verängstigt, ganz allein im Wald - ohne ihre Eltern.“ Sie habe sich vermutlich vor dem Lärm im Wald gefürchtet. Sein Fazit lautete: „Hauptsache, es ist gut ausgegangen. Es war Glück, dass wir gerade an diesem Platz gesucht und das Mädchen gefunden haben.“

Laut Polizeipräsidium Oberpfalz in Regensburg hatte Julia bei der späteren Befragung erzählt, dass sie immer in Bewegung gewesen sei und in den zwei Tagen mehrere Kilometer zu Fuß zurückgelegt habe. Nachts habe sie auf einer Wiese in hohem Gras geschlafen und habe dabei auch Tiere wie Rehe, Füchse und ein Wildschwein gesehen. Weil sie sich nachts im Wald fürchtete, habe sie nicht auf sich aufmerksam gemacht. In der Zeit hatte Julia auch nichts getrunken oder gegessen.

„Es ist schwer zu sagen, wo sie die zwei Tage verbracht hat, aber sie war trocken und sauber, also muss sie irgendwo versteckt gewesen sein“, sagte Semecky.

„Das Mädchen wurde unmittelbar nach seinem Auffinden sofort in ein deutsches Krankenhaus eingeliefert und traf dort auf ihre Eltern“, sagte Polizeisprecher Florian Beck. Diese Situation sei sehr emotional gewesen.

Körperlich hat Julia das alles gut überstanden. In der Klinik wurde sie langsam wieder aufgewärmt, weil das Mädchen durch die kalten Nächte im Wald ausgekühlt war. Aber: „Bis auf einen leichten Kratzer am Bein war das Kind unverletzt“, betonte Beck. Die Familie lasse nun ausrichten, dass man überglücklich sei und sich bei allen Helferinnen und Helfern bedanke. Die Familie brauche nun Zeit für sich, sagte Beck. Es werde daher um Beachtung der Privatsphäre gebeten.

An der nervenaufreibenden Suche im Gebiet zwischen den Städten Waldmünchen, Furth im Wald und Domazlice (Taus) hatten sich rund 1400 Rettungskräfte aus Bayern und Tschechien beteiligt. Über dem Wald kreisten Hubschrauber mit Wärmebildkameras. Suchhunde nahmen eine Fährte auf - verloren sie aber wieder. Der deutsche Botschafter in Prag, Andreas Künne, dankte der tschechischen Polizei für ihre Arbeit.

 Einsatzkräfte mit einem Suchhund stehen auf einem Parkplatz an der deutsch-tschechischen Grenze.

Einsatzkräfte mit einem Suchhund stehen auf einem Parkplatz an der deutsch-tschechischen Grenze.

Foto: dpa/Armin Weigel

Bei Martin Semecky, der wie ein Held gefeiert wird, überschlagen sich nun die Anfragen der Medien. Nicht nur aus Tschechien, sondern auch aus Deutschland. Dem Mitarbeiter der städtischen Forstverwaltung von Domazlice (Taus), der sein Revier wie kein anderer kennt, scheint das eher unangenehm zu sein. Er müsse jetzt weiterarbeiten, sagte Semecky am Telefon und verabschiedet sich.

(lha/dr/zim/dpa)
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