Umgangspflicht Vaterliebe kann man nicht erzwingen

Karlsruhe (RPO). Er ist neun Jahre alt und hat seinen Vater noch nie getroffen. Das Schicksal des Jungen, über das die Verfassungsrichter am Dienstag entschieden haben, wird sich durch das Urteil kaum verbessern. Während seine Eltern sich vor Gericht darum streiten, ob der Vater zu Besuchen bei seinem Sohn gezwungen werden kann, lebt das Kind seit anderthalb Jahren in einem Heim.

 Eltern können nicht zum Umgang mit ihren Kindern gezwungen werden.

Eltern können nicht zum Umgang mit ihren Kindern gezwungen werden.

Foto: ddp, ddp

Der Fall ist außergewöhnlich: In Sorgerechtsprozessen kämpfen getrennt lebende Väter zumeist für ihr Recht auf regelmäßigen Kontakt mit ihrem Kind. Diesmal aber verweigerte ein Familienvater aus Brandenburg jeglichen Kontakt zu seinem unehelichen Sohn. Zu Recht, entschieden die Bundesverfassungsrichter am Dienstag. Eltern können vom Staat in der Regel nicht zum Umgang mit ihren Kindern gezwungen werden. Das diene normalerweise nicht dem Wohl des Kindes, befanden die Verfassungshüter.

Genau das hatte die Mutter des Jungen gefordert. Sie hatte sich in einer jahrelangen gerichtlichen Auseinandersetzung schließlich vor dem Brandenburgischen Oberlandesgericht damit durchgesetzt, dass der Mann das gemeinsame Kind regelmäßig besuchen muss. Die obersten Richter in Karlsruhe urteilten jedoch nun endgültig im Sinne des Vaters.

Vater will Ehe retten

Der Mann zahlt für den inzwischen neunjährigen Jungen zwar Unterhalt, lehnt aber den persönlichen Umgang mit seinem unehelichen Sohn ab. Seine Begründung: Er will seine Ehe nicht gefährden will. Mit seiner Frau hat der Mann zwei minderjährige Kinder. Sie habe "nur mit Mühe akzeptiert, dass er ein außereheliches Kind habe", heißt es im Urteil des OLG. Sie drohte, ihn zu verlassen, wenn er Umgang mit dem Jungen hätte.

Nach Angaben seiner Anwältin empfindet der Vater keine Bindung zu dem Jungen. Er hatte Verfassungsbeschwerde erhoben, weil er sich durch die vom Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg verfügte Zwangsgeldandrohung von 25.000 Euro in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt fühlte.

Der uneheliche Sohn stammt aus einer Affäre und kam 1999 zur Welt. Die Geliebte des Mannes war damals gegen seinen Willen schwanger geworden. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht hatte sich im November herausgestellt, dass der Junge inzwischen in einem Heim in lebt. Der Junge ist mittlerweile neun Jahre alt und lebt in einem Heim; ein Gutachter hatte der Mutter "deutliche Erziehungsmängel" bescheinigt.

Jahrelanger Gerichtsstreit

Einige Monate, bevor sie das Kind im Februar 1999 zur Welt brachte, hatte sich dessen Vater von ihr getrennt. Sie sei gegen seinen ausdrücklichen Willen schwanger geworden, erklärte er später vor Gericht. Im Mai 2000 hatte die Mutter des Kindes dessen Umgangsrecht mit dem Vater beim Amtsgericht Brandenburg geltend gemacht. Der Mann entgegnete, das einjährige Kind könne noch keinen Umgangswunsch äußern. Er vermutete, dass die Exgeliebte in Wirklichkeit die Beziehung wiederbeleben wollte. Das Amtsgericht wies im November 2000 den Antrag der Mutter zurück und erklärte, ein erzwungener Umgang entspreche angesichts der ablehnenden Haltung des Vaters nicht dem Wohl des Kindes.

Das Oberlandesgericht holte ein psychologisches Gutachten ein. Darin heißt es, es sei im Interesse des Kindeswohls, dem Kind eine Vorstellung von seinem Vater zu verschaffen. Dies würde zumindest eine Grundlage für einen eventuellen späteren Bindungsaufbau darstellen. Der Vater hatte sich geweigert, mit dem Gutachter zu sprechen, und erfolgreich Verfassungsbeschwerde gegen eine zwangsweise Einbeziehung eingelegt. Das Bundesverfassungsgericht entschied im Mai 2003, dafür gebe es keine rechtliche Grundlage.

Zwangsgeld von 25.000 Euro

Das OLG verpflichtete den Vater am 21. Januar 2004 zum Umgang mit seinem Kind, und zwar jeweils für zwei Stunden im Abstand von drei Monaten. "Der Umgang soll als betreuter Umgang in Anwesenheit eines vom Jugendamt zu bestimmenden sach- und fachkundigen Dritten stattfinden." Dem Vater drohte das OLG ein Zwangsgeld bis zu 25.000 Euro für den Fall an, dass er gegen die Anordnungen verstieße.

Der Vater legte dagegen Verfassungsbeschwerde ein und argumentierte, die Zwangsgeldandrohung verletze ihn in seinem Persönlichkeitsrecht und treffe mittelbar - durch die angedrohte Trennung seiner Ehefrau - auch seine Familie, die durch den Verfassungsartikel 6 geschützt sei. Das Bundesverfassungsgericht verwies den Fall an das Oberlandesgericht zurück. Dabei muss geprüft werden, ob das Kind durch einen Verfahrenspfleger vertreten wird. Die Karlsruher Richter bezweifelten, ob die Mutter wirklich in seinem Interesse geklagt hatte.

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