Überlebende des Kreuzfahrtschiffes berichten "Vasen fielen herunter, Leute stolperten"

Düsseldorf · Die Panik war groß, die Crew offenbar maßlos überfordert. Es müssen dramatische Szenen gewesen sein, die sich an Bord des havarierten Kreuzfahrtschiffes Costa Concordia abgespielt haben, nachdem es am Freitagabend auf einen Felsen aufgelaufen war. Augenzeugen berichten.

Die gefährlichen Rettungsarbeiten am Schiffswrack
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Es war die erste Kreuzfahrt des "Pommes-Barons" und "Glühwein-Königs" aus Oer-Erkenschwick — und mutmaßlich auch seine Letzte. Wohlbehalten ist Imbiss-Betreiber Peter Honvehlmann am Sonntag gegen 17 Uhr mit weiteren Passagieren der "Costa Concordia" am Düsseldorfer Flughafen mit einer Lufthansa-Maschine aus Rom gelandet. Zwei Stunden, nachdem das Schiff gekentert war, schrieb der 38-Jährige auf der Pinnwand des amerikanischen Fernsehsenders CNN bei Facebook "SOS Sea Cruiser Costa Concordia with 4000 passengers, breakdown, very bad accident near Rome".

Honvehlmann ist einer von rund 560 Deutschen, die an Bord waren und das Schiffsunglück überlebten. Unversehrt war der Geschäftsmann zusammen mit seiner Frau gleich zu Beginn der Evakuierung von Bord gebracht worden. "Es ging ein Ruck durch das Schiff", sagte Honvehlmann, als die "Costa Concordia" gegen 21.30 Uhr auf Grund lief.

"Innerhalb kürzester Zeit bekam das Schiff eine Schräglage, sodass die Vasen von den Tischen fielen, von den Tresen fiel alles runter, einige Leute stolperten von den Treppen — so ähnlich wie im Film ,Titanic', man hat es nicht geglaubt." Zunächst seien die Passagiere von einem technischen Defekt unterrichtet worden, sagte Honvehlmann. Er sei einer der Ersten gewesen, die gerettet worden waren.

Blockierte Türen und Treppen

Mehr als 24 Stunden auf die Rettung warten musste hingegen ein junges koreanisches Paar. Helfer befreiten die beiden 29-Jährigen, die ihre Flitterwochen an Bord verbrachten, am Sonntag aus einer Kabine im Rumpf des Schiffes. Sie hatten sich bemerkbar gemacht. Türen und Treppen waren nach dem Schiffbruch blockiert. Die Helfer konnten sich dennoch einen Weg zu den Eingeschlossenen bahnen. So wurde am Sonntag auch ein weiterer Offizier gerettet.

Auch Ina Karanbache war in einem der gelben Rettungsboote. Die Frau aus Berlin-Spandau stand in der Bar auf dem fünften Deck, als das Unglück geschah. Am Tag danach stand sie vollkommen übernächtigt in der Schule von Porto Santo Stefano auf dem der Insel Giglio gegenüberliegenden Festland. Sie hat nur eine Handtasche, den Rest ihrer Habe musste auf dem Schiff bleiben.

Gegen 21.30 Uhr am Freitag, so erzählte sie, hatte sie gerade Kaffee mit Amaretto bestellt. "Wenn ich da gewusst hätte, was mir und meiner 70-jährigen Mutter noch alles bevorstehen würde." Als ein Ruck durch die "Costa Concordia" ging, habe es eine Durchsage gegeben, auch auf Deutsch: Niemand brauche in Panik auszubrechen.

Den Küstenbewohnern dankbar

Aber das Schiff geriet zunehmend in Schieflage. Es habe dann einen riesigen Lärm gegeben, als das Geschirr von den gedeckten Tischen rutschte und scheppernd zu Bruch ging. Und dann habe es nicht mehr lange gedauert, bis die Durchsage kam, die Passagiere sollten sich zu den Rettungsbooten begeben. "Wir sind gar nicht mehr in unsere Kabine gegangen, um unsere Sachen zu holen. Mein Leben war mir wichtiger."

Die beiden geretteten Crew-Mitglieder in der Turnhalle von Porto Santo Stefano sagten am Sonntag sehr wenig. Nur so viel: "Wir waren damit beschäftigt, die Rettung zu organisieren." Auch ihnen stand der Schock in ihre blassen Gesichter geschrieben.

Der Bürgermeister von Porto Santo Stefano, Arturo Cerulli, hatte das alles erst einmal für einen schlechten Scherz gehalten. Er habe des Nachts einen Anruf bekommen und es erst nicht glauben können. Doch dann begann er, die Hilfe zu koordinieren. Die ganze Nacht über pendelten Boote zwischen Giglio und Porto Santo Stefano hin und her. Mit wem man auch spricht, den Küstenbewohnern sind alle zutiefst dankbar. Die Schiffbrüchigen hatten ja meist nur noch ihre Sachen auf dem Leib.

(RP/das/pst)
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