Mehr Raum für Spontaneität Urlaub und Freizeit sollten nicht zu sehr durchgetaktet werden

Berlin · Nach Meinung des Psychologen Marc Wittmann sollte man die eigene Freizeit und den Urlaub nicht so durchplanen wie die Arbeit. Nur, wenn man den Dingen Raum lasse, könne man auch mal Langeweile entgehen.

Urlaub sollte nicht durchgeplant sein.

Urlaub sollte nicht durchgeplant sein.

Foto: dpa/John-Patrick Morarescu

Urlaub und Freizeit sollten nach Worten des Psychologen und Philosophen Marc Wittmann nicht genauso durchgetaktet sein wie die Arbeit. Eher tue es vielen Menschen gut, „den Dingen Raum zu geben“, sagte er im Interview der „Welt am Sonntag“. Wichtig sei eine Balance: Die Orientierung an der „Uhr-Zeit“ schaffe Wohlstand, die an der „Eigen-Zeit“ ein gutes, emotional gelebtes Leben. In anderen Kulturen, etwa in Indien, sei es durchaus üblich, den Dingen die Zeit zu lassen, die sie bräuchten.

Muße brauche Raum, erklärte der Experte. So könne es zu einer positiveren Wahrnehmung der Zeit führen, auch Langeweile einmal auszuhalten. Der erste Schritt sei, „etwas zu finden, das einem zu Gelassenheit hilft“. Das falle vielen Menschen schwer, wenn sie „den ganzen Tag im Hamsterrad“ verbracht hätten. Manchen helfe ein Spaziergang, ein Glas Wein oder eine TV-Serie.

Menschen brauchten eine balancierte Zeitperspektive, sagte Wittmann: „Ich muss in der Lage sein, zwischen dem hedonistischen Moment und den Gedanken über die Zukunft zu wechseln. Bin ich nur noch termin-, also zukunftsorientiert, verliere ich das Gefühl vom Leben.“ Dieser Ausgleich zwischen Gegenwarts- und Zukunftsperspektive sei für das eigene Glück „extrem wichtig“. Zudem mache das sogenannte episodische Gedächtnis, „der innere Film“, die „Story unseres Lebens“ aus.

Wer zu präsenzorientiert sei, könne sich kleine Erfolge vor Augen führen, so der Forscher. Wem es umgekehrt schwerfalle, auf den Moment zu achten, der solle sich mehr ins Hier und Jetzt begeben - „und einfach mal, so banal das klingt, ins Kino gehen und Freunde treffen“. Achtsamkeit und innere Ausgeglichenheit führten dazu, dass Menschen sich besser an Dinge erinnern könnten und die Zeit als langsamer vergehend wahrnähmen. „Ist man achtsam, schaut man gelassen auf die Gegenwart und auf das Mit-sich-Sein. Ist man eher impulsiv, will man raus aus dem Moment und eigentlich woanders sein oder etwas anderes haben.“

Derzeit werde zudem untersucht, wie sich die Digitalisierung auf das Zeitempfinden auswirke. „Unsere Vermutung: Wir werden ungeduldiger“, sagte Wittmann. Wartezeiten würden durch das Handy überbrückt, und es gebe jederzeit Möglichkeiten zur Ablenkung. „Das könnte unseren Umgang mit leerer Zeit verändern.“

(boot/kna)
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