Verfassungsgericht Umgang mit Kind darf nicht erzwungen werden

Karlsruhe (RPO). Eltern dürfen vom Staat in der Regel nicht zum Umgang mit ihren Kindern gezwungen werden. Das hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschieden. Die Richter gaben damit der Beschwerde eines Vaters statt, der sich weigert, seinen unehelichen Sohn zu sehen. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries freute sich über das Urteil.

 Die Verfassungsbeschwerde eines Autofahrers gegen seine Verurteilung hatte Erfolg.

Die Verfassungsbeschwerde eines Autofahrers gegen seine Verurteilung hatte Erfolg.

Foto: AP, AP

Vor fast vier Jahren hatte das Oberlandesgericht Brandenburg den Vater unter Androhung von 25.000 Euro Zwangsgeld dazu verurteilt, seinen Sohn alle drei Monate zu besuchen. Das Oberlandesgericht hatte sich auf das seit 1998 geltende Gesetz bezogen, das Kindern ein Recht auf Umgang mit den leiblichen Eltern einräumt und Zwangsmittel zur Durchsetzung zulässt. Der Vater hatte dagegen Verfassungsbeschwerde eingelegt.

Der Mann zahlt für den inzwischen neunjährigen Jungen zwar Unterhalt, lehnt aber den persönlichen Umgang mit seinem unehelichen Sohn ab. Seine Begründung: Er will seine Ehe nicht gefährden will. Mit seiner Frau hat der Mann zwei minderjährige Kinder. Der Vater hat das Kind noch nie gesehen, weil dies nach seiner Ansicht unweigerlich zum Zerbrechen seiner Ehe führen würde. Nach Angaben seiner Anwältin empfindet er keine Bindung zu dem Jungen. Er hatte Verfassungsbeschwerde erhoben, weil er sich durch die vom Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg verfügte Zwangsgeldandrohung in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt fühlte.

Der uneheliche Sohn stammt aus einer Affäre und kam 1999 zur Welt. Die Geliebte des Mannes war damals gegen seinen Willen schwanger geworden. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht hatte sich im November herausgestellt, dass der Junge inzwischen in einem Heim lebt.

Die Mutter des Jungen wollte ihren ehemaligen Liebhaber dazu zwingen, seinen Sohn regelmäßig zu besuchen. Das sei nicht zum Wohle des Kindes, entschied das Bundesverfassungsgericht heute. Eine Umgangspflicht dürfe daher grundsätzlich nicht zwangsweise - also mit einem Zwangsgeld - durchgesetzt werden.

Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts stellte in seiner Entscheidung klar, dass es im Einzelfall Ausnahmen geben kann. Gebe es hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass ein erzwungener Umgang dem Kindeswohl diene, könne der Umgang auch mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden. Ein Kind habe auch einen verfassungsrechtlichen Anspruch darauf, dass seine Eltern ihrer Pflicht auf Pflege und Erziehung nachkommen.

Das Gesetz, das 1998 das Umgangsrecht und die Umgangspflicht der Eltern festschrieb, sei verfassungsgemäß, erklärte der Erste Senat. Die Durchsetzung sei aber immer vom Kindeswohl abhängig. Das Bundesverfassungsgericht verwies den Fall an das Oberlandesgericht zurück.

In der mündlichen Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts im November 2007 hatte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) die Auffassung vertreten, ein Zwang zum Umgang mit dem Kind dürfe nur angewandt werden, wenn das Kindeswohl eindeutig überwiege. Als Beispiel nannte sie ein todkrankes Kind, das seinen Vater sehen wolle, der einen Besuch verweigere. Im konkreten Fall hatte die Ministerin jedoch bezweifelt, ob das Zwangsgeld angebracht war. Denn es sei nicht ausgeschlossen, dass hier der Konflikt zwischen Vater und Mutter auf Kosten des Kindes ausgetragen werde.

Die Bundesjustizministerin begrüßte das Urteil vom Dienstag. "Ich habe mich gefreut, dass das Bundesverfassungsgericht auch in dieser Entscheidung das Kindeswohl an die erste Stelle gesetzt hat", sagte die SPD-Politikerin am Dienstag dem Nachrichtensender N24.

Das Urteil wird nach den Worten der Ministerin auch künftige politische Weichenstellungen beeinflussen: "Die Entscheidung gibt uns Rückenwind für unsere gesetzgeberische Arbeit." Zypries verwies auf die geplante Reform, mit der den Familiengerichten ermöglicht werden solle, sehr viel früher in Familienstrukturen einzugreifen.

Die Gerichte könnten dann beispielsweise sagen: "Das Kind muss geschützt werden, ihr müsst euer Kind beispielsweise in einen Kindergarten geben, der ganztags ist, oder ihr müsst euer Kind in einen Sprachkurs geben, oder ihr müsst an einem Anti-Gewalt-Training teilnehmen." Solche Maßnahmen sollten zum Wohl des Kindes schon sehr viel früher ermöglicht werden. Und insofern stütze die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts diesen Weg.

Das Bundesverfassungsgericht hatte der Verfassungsbeschwerde eines Vaters stattgegeben, die sich gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Brandenburg gerichtet war. Das OLG hatte ihn unter Androhung von 25.000 Euro Zwangsgeld verpflichtet, alle drei Monate seinen unehelichen Sohn zu besuchen.

(ap)
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