Tankerunglück auf dem Rhein Tragödie an der Loreley

(RP). Eine Havarie auf dem Rhein bei Bingen hat vermutlich zwei von vier Besatzungsmitgliedern das Leben gekostet. Bis Freitagmorgen konnten sie nicht gefunden werden. Die Suche nach den beiden sollte am Vormittag fortgesetzt werden. Das Frachtschiff einer Duisburger Reederei hatte 2400 Tonnen Schwefelsäure geladen. Experten können nicht ausschließen, dass Säure austritt.

Schifffahrt: Die sieben schwersten Unglücke auf dem Rhein
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Foto: dapd

Seit 67 Jahren lebt Robert Gärtner direkt gegenüber dem Loreley-Felsen — mit bestem Blick auf den Rhein. Der Betreiber des Campingplatzes "Loreleyblick" hat in der Flußbiegung schon viele Schiffe verunglücken sehen: Frachtkähne, die zusammenstießen, oder Passagierschiffe, die auf Grund liefen, weil sie aus der Fahrrinne gerieten.

Doch nichts ist mit dem vergleichbar, was der 67-Jährige sah, als er gestern früh wie jeden Morgen aus dem Fenster seines Bades auf den Rhein blickte. "Überall Blaulicht, der gekenterte Tanker und so viele Rettungsleute — wie bei einem Atomunfall", erzählt Gärtner.

Um 5.12 Uhr war der 110 Meter lange Tanker "Waldhof", der etwa 2400 Tonnen Schwefelsäure geladen hatte, am Loreley-Felsen gekentert. Nur zwei der vier Besatzungsmitglieder konnten bis gestern Abend gerettet werden. Die Bergungsteams haben nur wenig Hoffnung, die beiden noch vermissten Männer lebend zu bergen. Einer von ihnen ist der Vater eines geretteten Besatzungsmitglieds.

Keine Lebensgefahr

"Einer der Geretteten war ins Wasser gefallen und fünf Kilometer abgetrieben", berichtete Uwe-Gilberg Rindsfüßer, Sprecher des Einsatzteams. Ein Frachtschiff habe ihn aufgenommen. Der Zweite wurde von der Wasserschutzpolizei geborgen, die auf seine Hilferufe aufmerksam geworden war. Beide Männer wurden ins Krankenhaus gebracht. Lebensgefahr bestehe nicht. Die Geretteten waren nur bedingt vernehmungsfähig.

Bis zum Einbruch der Dunkelheit suchten Taucher vergeblich nach Lebenszeichen der zwei Vermissten. Einer von ihnen hatte zum Zeitpunkt des Unglücks vermutlich im Heckbereich des Tankschiffs geschlafen, einer der Geretteten ebenfalls. Die Rettung der Vermissten wäre "ein Wunder", sagte Rindsfüßer. Teile des Steuerhauses, der Wohnung und der Laderäume liegen unter Wasser. Die Feuerwehr rückte mit schwerem Gerät in den Wohnbereich des Schiffes vor. Auch ein Helikopter mit Wärmebildkamera war im Einsatz.

Schwefelsäure in bedenklichen Mengen ist nach Angaben der Feuerwehr bislang nicht ausgetreten. Die Bergungsarbeiten können sich nach Ansicht der Experten im ungünstigsten Fall über Wochen hinziehen. Die starke Strömung und die rasante Fließgeschwindigkeit des Rheins — zurzeit 4500 Kubikmeter pro Sekunde statt 1500 — erschwerten den Einsatzteams ihre Arbeit. Taucher müssten so schnell wie möglich die Tanks des Schiffes überprüfen. Dies wäre aber derzeit ein "lebensgefährlicher Einsatz", meint Martin Mauermann, Leiter des Wasser- und Schifffahrtsamts Bingen: "Wir können noch nicht ausschließen, dass dort doch Säure austritt."

"Sehr gutes Zwei-Hüllen-Schiff"

Die Auflagen für den Gefahrguttransport auf dem Rhein hat das Schiff der Duisburger Reederei Lehnkering laut offiziellen Angaben erfüllt. Der Tanker ist nach Angaben der Polizei ein "sehr gutes Zwei-Hüllen-Schiff". Das Abpumpen der Säure, die aus dem Chemiekonzern BASF in Ludwigshafen stammt und auf dem Weg nach Antwerpen war, birgt Risiken. Mit vier Schwerlast-Kränen, die unter anderem aus Duisburg und Rotterdam kommen, soll das Schiff dazu gedreht werden.

Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) sagte in St. Goarshausen: "Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es nicht gelingt, dass Schiff mittels der Kräne zu drehen." Möglicherweise müsse die Schwefelsäure dann in kleinen Mengen abgepumpt werden, um einen großen Umweltschaden und das Auseinanderbrechens des Schiffes zu verhindern. Beck verwies auch auf die Gefahr, dass die Säure mit Wasser chemisch reagiert. Es entstünden dabei sehr hohe Temperaturen, durch die die Tanks des Schiffes zerfressen werden können.

Die Ursache für die Havarie bei St. Goarshausen ist unklar. Rund 90 Unfälle ereignen sich jedes Jahr auf dem Rhein im Bereich der Loreley. Doch der Fall der "Waldhof" sei "abstrus", sagte Martin Mauermann: "Das Radarbild hat keinen Zusammenstoß oder ein Auflaufen auf das Ufer gezeigt — plötzlich war das Schiff vom Radar verschwunden." Das Schiff könnte sich einmal komplett unter Wasser gedreht haben, so dass es auch kein Signal gab. "Eine Erklärung haben wir dafür aber noch nicht." Das Hochwasser und die damit verbundene starke Strömung könnten zum Unglück beigetragen haben.

(RP)
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