Germanwings-Maschine Todespilot verheimlichte Erkrankung

Düsseldorf/Berlin · Der Copilot, der die Germanwings-Maschine zum Absturz brachte, war für den Tag des Flugs krankgeschrieben. Er zerriss allerdings laut Düsseldorfer Staatsanwaltschaft die Atteste. Die Lufthansa erhebt Vorwürfe gegen das Luftfahrtbundesamt.

Germanwings-Maschine: Todespilot verheimlichte Erkrankung
Foto: AP

Der Todespilot des Germanwings-Jets war am Absturztag nach Angaben der Staatsanwaltschaft Düsseldorf krankgeschrieben. Er hatte aber die ernsthafte Erkrankung gezielt vor seinem Arbeitgeber geheimgehalten, vermutet die Behörde. Sie hatte bei der Durchsuchung der beiden Wohnsitze des Copiloten Andreas L. in Düsseldorf-Unterbach und Montabaur gestern mehrere zerrissene Atteste gefunden, darunter eines für den Flugtag. Die Erkrankung war offenbar so schwer, dass L. sie möglicherweise gezielt geheim hielt, um nicht zumindest zeitweise aus dem Dienst ausscheiden zu müssen. So wird in Justizkreisen spekuliert.

Nach ersten Erkenntnissen der französischen Staatsanwaltschaft hatte der 27-jährige Copilot einen Airbus A 320 am Dienstag absichtlich in eine Felswand stürzen lassen, als der Flugkapitän ihn vermutlich für eine Toilettenpause allein im Cockpit gelassen hatte. Bei dem Absturz des Airbus in zerklüftetem Gelände etwa 100 Kilometer nördlich von Nizza kamen alle 144 Passagiere und sechs Besatzungsmitglieder ums Leben. Die zentrale Gedenkfeier wird nach Informationen unserer Zeitung am 17. April um 12 Uhr im Kölner Dom stattfinden.

Der Copilot war nach Recherchen unserer Zeitung bei mehreren Ärzten in Behandlung, unter anderem in der Düsseldorfer Uniklinik. Dort war L. zweimal vorstellig geworden. Dabei ging es laut Klinik um "diagnostische Abklärungen". Eine Behandlung wegen Depression verneinte das Krankenhaus.

Trotzdem erhärtet sich der Verdacht, dass der Copilot psychisch schwer erkrankt war. Die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft teilte mit, dass bei der Durchsuchung der Wohnung von L. auch Dokumente medizinischen Inhalts sichergestellt worden seien, "die auf eine bestehende Erkrankung und entsprechende ärztliche Behandlungen hinweisen". Der Todespilot könnte, so lautet ein Verdacht, auch eine mögliche psychische Erkrankung - die Rede ist von Burn-out oder Depression - vertuscht haben.

Auch andere Medien haben Hinweise auf eine psychische Erkrankung des Piloten. Der junge Mann habe vor Jahren bereits seine Piloten-Ausbildung wegen Depressionen unterbrechen müssen, berichtete der "Spiegel". Nach Angaben der "Bild"-Zeitung befand sich Andreas L. vor sechs Jahren insgesamt eineinhalb Jahre in psychiatrischer Behandlung. Auch die Akte des Copiloten beim Luftfahrtbundesamt (LBA) weise auf psychische Probleme hin. Das Bundesverkehrsministerium wollte sich unter Verweis auf die laufenden Ermittlungen aber nicht zur Existenz eines solchen Vermerks äußern.

Die Frage, wer eine solche Erkrankung erkennen und dem Piloten die Flugerlaubnis entziehen müsse, führte sogar zu einer Kontroverse zwischen der Germanwings-Mutter Lufthansa und dem LBA. "Die Beurteilung der flugmedizinischen Tauglichkeit von Piloten liegt nicht bei der jeweiligen Fluggesellschaft, sondern beim LBA", sagte ein Lufthansa-Sprecher. Das Amt ist danach für einen möglichen Entzug der Flugerlaubnis zuständig. Hintergrund ist eine EU-Verordnung, die diese Verantwortung neu geregelt hat. Der Lufthansa-Sprecher: "Bis April 2013 waren dafür die zugelassenen flugmedizinischen Untersuchungszentren zuständig, wie sie auch Lufthansa betreibt. Aufgrund einer EU-Verordnung ging diese Aufgabe an das LBA über." Der mutmaßliche Todespilot war erst seit September 2013 bei der Lufthansa-Tochter Germanwings beschäftigt. Das LBA wies die Vorwürfe zurück. Die Tauglichkeitsbescheinigungen stelle das Aeromedical Center der Lufthansa in München aus.

Der Lufthansa-Sprecher erklärte außerdem, dass die Luftfahrtgesellschaft nach dem tragischen Unglück nun eine Verschärfung der Eignungsprüfungen für die Pilotenausbildung erwägt: "Wir prüfen nach dem tragischen Absturz, ob wir unser Testverfahren noch weiter verbessern können."

Die Lufthansa muss sich unterdessen auf Schadenersatzforderungen in zweistelliger Millionenhöhe einstellen. Das sagte Elmar Giemulla, Professor für Luftfahrtrecht an der TU Berlin. Die Summe setze sich aus zwei Ansprüchen zusammen: Zunächst stehen den Angehörigen jedes Opfers rund 20 000 Euro Soforthilfe für Beerdigungskosten, Angehörigen-Treffen oder Reisen zum Unfallort zu. Darüber hinaus muss die Lufthansa den Ausfall von Verdiensten kompensieren, von denen Unterhaltspflichtige leben.

Mehrere Fluggesellschaften zogen Konsequenzen aus dem Absturz. Lufthansa, Air Berlin, Easyjet, Norwegian Air, SAS und Air Canada schreiben die Anwesenheit von zwei Personen im Cockpit vor. Die europäische Flugaufsichtsbehörde EASA wird möglicherweise ebenfalls die ständige Präsenz von zwei Personen im Cockpit empfehlen.

(RP)
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