Vater saß sieben Jahre im Gefängnis Tochter: Vergewaltigung war erfunden

Memmingen · 24 Jahre nach der vermeintlichen Vergewaltigung eines Mädchens wird der Prozess gegen den Vater neu aufgerollt. Er saß sieben Jahre im Gefängnis. Die Tochter und damalige Hauptzeugin sagt jetzt, sie habe alles nur erfunden.

Ein Familienvater aus dem Oberallgäu hat vermutlich sieben Jahre unschuldig im Gefängnis gesessen. Seine Tochter widerrief am Dienstag vor dem Landgericht Memmingen ihren früheren Vorwurf, ihr Vater habe sie dreimal vergewaltigt. Im Juli 1996 war der Mann wegen dieser Anklage vom Landgericht Kempten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern und Vergewaltigung verurteilt worden. Jetzt hat ein Wiederaufnahmeverfahren begonnen.

Unter Tränen beschrieb die heute 33 Jahre alte Tochter, wie es damals zu ihrer Falschaussage kam: Zwischen ihren Eltern habe es dauernd Streit gegeben. Als sich die Eltern schließlich trennten, habe ihre Mutter sie gegen den Vater aufgehetzt.

Sie habe ihr auch glaubhaft gemacht, dass er für die Krebserkrankung der Mutter mitverantwortlich war. "Mein Hass auf meinen Vater wurde immer größer. (...) Ich dachte, ich müsste mich an meinem blöden Vater rächen."

Mit Hilfe des Terminkalenders ihrer Mutter, die inzwischen gestorben ist, habe sie damals eine Geschichte konstruiert, mit der sie Ermittler, Gutachter und später auch das Gericht überzeugen konnte.

Gewissensbisse nach Verurteilung

Als es zur Verhandlung kam und ihr Vater zu einer langen Gefängnisstrafe verurteilt wurde, habe sie extreme Gewissensbisse gehabt - auch ihrem jüngeren Bruder gegenüber, der danach in eine Pflegefamilie kam. "Aber ich hatte nicht den Mut, zur Wahrheit zurückzukehren", sagte die Frau, die inzwischen selber Mutter von drei kleinen Kindern ist. In den Folgejahren sei der Druck immer größer geworden. Erst als ihre eigene Tochter vor fünf Jahren auf die Welt kam, habe sie sich von der Last befreien wollen.

Laut früherer Anklage soll der Vater das Mädchen von November 1989 bis Mai 1991 dreimal zum Geschlechtsverkehr gezwungen haben. Die Tochter war zur angenommenen Tatzeit neun und zehn Jahre alt. Der Angeklagte hatte die Vorwürfe stets bestritten. "Es war kein faires Verfahren", kritisierte der 62-Jährige. Er habe sich von Anfang an vorverurteilt gefühlt. Die siebenjährige Haftstrafe hat der Mann voll verbüßt. Sollte sich nun ergeben, dass er zu Unrecht im Gefängnis saß, kann er mit einer Entschädigung rechnen.

(dpa)
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