Bundesanwaltschaft legte "Prüfvorgang" an Thüringer Neonazis schon seit 1998 im Visier

Karlsruhe · Die Bundesanwaltschaft hatte bereits 1998 die inzwischen als mutmaßliche Rechtsterroristen bekannten Neonazis Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe im Visier. Dennoch habe man aus rechtlichen Gründen keine Möglichkeit gehabt, ein eigenes Ermittlungsverfahren einzuleiten, sagte Behördensprecher Marcus Köhler am Montag.

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Der Generalbundesanwalt habe jedoch Mitte Februar 1998 "einen Prüfvorgang angelegt". Grund seien Presseberichte über die Entdeckung eines "Bombenlabors" von Rechtsextremisten im thüringischen Jena gewesen.

Die Bundesanwaltschaft habe aber nicht selbst ermitteln können, weil sich aus den damaligen polizeilichen Erkenntnissen kein Anfangsverdacht für eine terroristische Vereinigung ergeben habe. Nach damaliger polizeilicher Einschätzung habe es sich lediglich "um ein loses Geflecht von Einzeltätern" gehandelt. Deshalb sei "von Gesetzes wegen" die Staatsanwaltschaft Gera für die weiteren Ermittlungen zuständig gewesen.

Nachdem die Bundesanwaltschaft 1998 den "Prüfvorgang" angelegt hatte, ließ sie sich rund ein Jahr lang durch das Bundeskriminalamt (BKA) und weitere Polizeibehörden über die Vorgänge in Jena "unterrichten". Die Staatsanwaltschaft Gera ermittelte damals gegen eine ganze Reihe von Beschuldigten wegen Verdachts der Vorbereitung eines Explosivverbrechens, der Störung des öffentlichen Friedens und der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.

"Loses Geflecht von Einzeltätern"

Köhler sagte weiter, nach damaliger polizeilicher Einschätzung habe es sich bei den Beschuldigten - darunter Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe - um ein loses Geflecht von Einzeltätern gehandelt, "die Straftaten weder für noch im Namen bestimmter Gruppierungen oder gar einer eigens gegründeten Gruppierung begingen". Vielmehr sei man damals davon ausgegangen, dass es sich um einen "Verdächtigenkreis mit wechselnder Teilnehmerzahl und wechselnder Beteiligung" ohne verfestigte Gruppenstruktur im Sinne einer - kriminellen oder terroristischen - Vereinigung handelte.

Aus den damals der Bundesanwaltschaft mitgeteilten polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Erkenntnissen habe sich daher kein Anfangsverdacht für Straftaten ergeben, "die in die Verfolgungszuständigkeit der Bundesanwaltschaft fallen könnten".
1999 kam die Bundesanwaltschaft deshalb nach einjähriger Prüfung zu dem Schluss, kein Verfahren einzuleiten.

Erst zwölf Jahre später - am 11. November 2011 - zog die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen an sich. Denn inzwischen besteht der Verdacht, dass es sich bei der rechtsextremistischen Gruppierung um eine terroristische Vereinigung handelt, die bundesweit für zehn Morde verantwortlich gemacht wird.

(APD)
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