Prozess zum Terrorakt in Halle Experte kritisiert mangelnden Schutz der Synagoge

Halle/Magdeburg · Dass Halle-Terrorist Stephan Balliet nicht noch mehr Menschen tötete, ist wohl vor allem der massiven Tür der Synagoge zu verdanken. Im Gerichtsverfahren kritisiert ein Experte nun, dass der Attentäter überhaupt so weit kam.

 Stephan Baillet vor Gericht.

Stephan Baillet vor Gericht.

Foto: AFP/RONNY HARTMANN

Der Staat hätte die Synagoge von Halle nach Einschätzung eines Experten für Antisemitismus besser vor dem Anschlag im Herbst 2019 schützen müssen. „Aus unserer Sicht hätten die Behörden den unzureichenden Schutz kennen müssen“, sagte der Geschäftsführer des Bundesverbandes der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (Rias), Benjamin Steinitz, am Dienstag. Er äußerte sich im Prozess um das rechtsterroristische und antisemitische Attentat, weswegen sich derzeit ein 28-Jähriger vor dem Oberlandesgericht (OLG) Naumburg verantworten muss.

Polizei, Landeskriminalamt (LKA) und Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) hatten nach dem Anschlag mehrfach gesagt, dass sie keinerlei Hinweise auf den Anschlag und eine veränderte Sicherheitslage der Synagoge gehabt hätten. Laut Steinitz weichen die Sicherheitseinschätzungen der Behörden für jüdische Einrichtungen oft von denen der betroffenen Gemeinden ab.

Rias untersucht und dokumentiert in Deutschland antisemitische Angriffe. Die Mehrheit der Juden würden solche Attacken alltäglich erleben, die wenigsten sie aber zur Anzeige bringen, sagte Steinitz. In Befragungen unter Juden in Deutschland hätten 79 Prozent angegeben, den schwersten Fall antisemitischer Angriffe, den sie erlebt hätten, nicht zur Anzeige gebracht zu haben.

Der Politologe lobte, dass das Gericht im Verfahren die Überlebenden aus der Synagoge so ausführlich zu Wort kommen ließ. Das habe den Plan des Angeklagten, seine Botschaften im Prozess zu transportieren, konterkariert und „erhebliche Solidarisierungsprozesse auch außerhalb des Gerichtssaals“ angestoßen“. Das habe den Betroffenen geholfen.

Am 9. Oktober 2019 hatte ein Terrorist versucht, 51 Menschen zu töten, die in der Synagoge von Halle den höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur feierten. Er scheiterte an der massiven Tür, erschoss daraufhin eine Passantin, später noch einen jungen Mann in einem Döner-Imbiss und verletzte weitere Menschen. Der 28-jährige Deutsche Stephan Balliet hat die Taten gestanden und mit antisemitischen, rassistischen Verschwörungstheorien begründet. Seit Juli läuft vor dem OLG Naumburg der Prozess, der aus Platzgründen in Magdeburg stattfindet.

(th/dpa)
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