Studie der Goethe-Universität Frankfurt Übermäßige polizeiliche Gewalt wird nur selten aufgearbeitet

Frankfurt am Main · Ein Forschungsteam von Frankfurter Goethe-Universität hat mit mehr als 3300 Betroffenen gesprochen. Heraus kam, dass übermäßige Polizeigewalt nur selten zur Anzeige gebracht wird – und Staatsanwälte Polizisten selten vor Gericht bringen.

Polizisten der Bundespolizei nehmen während einer Übung einen Fußballfan fest (Symbolbild).

Polizisten der Bundespolizei nehmen während einer Übung einen Fußballfan fest (Symbolbild).

Foto: dpa/Philipp Schulze

Übermäßige polizeiliche Gewalt wird nur selten aufgearbeitet. Zu diesem Ergebnis kommt eine am Dienstag vorgestellte Studie der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Das Forschungsteam befragte mehr als 3300 Betroffene und interviewte zudem unter anderem Polizeikräfte, Richterinnen und Richter sowie Opferberatungsstellen. Die Befragten berichteten vor allem hinsichtlich Großveranstaltungen wie Demonstrationen und Fußballspielen von übermäßiger Polizeigewalt.

Konfliktsituationen oder Personenkontrollen wurden ebenfalls oft genannt. Am häufigsten gaben junge Männer an, polizeiliche Gewalt erfahren zu haben. 19 Prozent der Betroffenen berichteten demnach von schweren physischen Verletzungen. Psychische Belastungen spielten aber auch eine Rolle. Wut und Angst vor der Polizei, das Meiden bestimmter Situationen oder Orte sowie der Verlust des Vertrauens wurden hier genannt.

Bei der Anwendung übermäßiger polizeilicher Gewalt spielen laut Studie sowohl „individuelle wie auch situative und organisationale Faktoren“ eine Rolle. Mängel in der Kommunikation, Stress, Überforderung, aber auch diskriminierendes Verhalten von Beamtinnen und Beamten können demnach übermäßige Polizeigewalt begünstigen.

Rechtswidrige polizeiliche Gewalt wird laut Studie nur selten angezeigt - die Befragten hatten eine niedrige Anzeigebereitschaft. „Ein Großteil der Verdachtsfälle rechtswidriger polizeilicher Gewaltanwendungen verbleibt dadurch im Dunkelfeld“, erklärte Studienautor und Kriminologieprofessor Tobias Singelnstein. Nur 14 Prozent der befragten Betroffenen gab demnach an, dass in ihrem Fall ein Strafverfahren stattgefunden habe.

Strafverfahren zu Verdachtsfällen rechtswidriger Polizeigewalt werden außerdem zu mehr als 90 Prozent von den Staatsanwaltschaften eingestellt, nur in etwa zwei Prozent der Fälle wird Anklage erhoben. Strukturelle Besonderheiten dieser Verfahren sind unter anderem, dass es für Polizeikräfte herausfordernd sein kann, Kolleginnen und Kollegen zu belasten.

Für die zuständigen Staatsanwältinnen und Staatsanwälte erweise sich angesichts der alltäglichen engen Zusammenarbeit mit der Polizei eine unvoreingenommene Herangehensweise an solche Verfahren als schwierig, heißt es in der Studie. Einschlägige Verfahren seien zudem oft von einer schwierigen Beweislage gekennzeichnet. Häufig stehe die Aussage der Betroffenen denen der einsatzbeteiligten Polizistinnen und Polizisten gegenüber und es fehle an weiteren Beweismitteln.

„In den auf eine polizeiliche Gewaltanwendung folgenden Auseinandersetzungen um die Bewertung der Gewalt in Gesellschaft und Justiz erweist sich die polizeiliche Deutungsweise angesichts dieser Umstände als besonders durchsetzungsfähig“, fasst das Forschungsteam seine Ergebnisse zusammen. Diese dokumentiere so die besondere Definitionsmacht der Polizei. Das Forschungsprojekt wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert.

(glaw/AFP)
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