Überlastung der Netze Stromausfall: E.on-Vorstand räumt Verantwortung ein

Düsseldorf (RP/RPO). Der Energiekonzern E.on hat eingeräumt, den Stromausfall in weiten Teilen Europas mitverursacht zu haben. Ursache: Das Abschalten einer Hochspannungsleitung im Emsland. Doch bezweifelt das Unternehmen, allein für den Blackout verantwortlich zu sein. Die Ursachen sind demnach immer noch nicht vollständig geklärt. Unterdessen verschärft die Politik die Vorwürfe gegenüber den Ernergiekonzernen.

ARCHIV: Das Logo der E.ON AG, waehrend der Hauptversammlung des Konzerns in Essen in einer Langzeitbelichtung (Foto vom

ARCHIV: Das Logo der E.ON AG, waehrend der Hauptversammlung des Konzerns in Essen in einer Langzeitbelichtung (Foto vom

Foto: ddp, ddp

Die Ursache des Stromausfalls erklärte Maubach mit dem Abschalten einer Hochspannungsleitung in Norddeutschland. Anlass dazu sei gewesen, dass die Meyer-Werft in Papenburg ein neues Kreuzfahrtschiff in die Nordsee auslaufen lassen wollte. Deshalb sei die Leitung vom Netz genommen worden. Die Belastungen hätten sich dadurch auf andere Leitungen verteilt, die später überlastet zusammengebrochen seien.

Kritik an nicht ausreichenden Investitionen in die bestehenden Stromnetze wies Maubach zurück. Die Netze seien in einem guten Zustand. In den nächsten Jahren sollen laut Maubach 2,8 Milliarden Euro investiert werden.

Eon bezweifelt jedoch, dass die Abschaltung der Hochspannungsleitung allein für den Stromausfall verantwortlich war. Im Bayerischen Rundfunk wies Eon-Netz-Sprecher Christian Schneller darauf hin, dass "die Störungen erst eine halbe Stunde nach der Abschaltung aufgetreten sind". Maubach und Schneller betonten zudem die hohe Versorgungssicherheit in Deutschland. "Statistisch betrachtet ist die Wahrscheinlichkeit, von einem Stromausfall betroffen zu sein, nirgendwo in Europa so niedrig wie bei uns", sagte Schneller. Das sei natürlich Statistik. "Dass das Leben anders spielen kann, haben wir Samstagabend gesehen."

Streit zwischen Politik und Wirtschaft

Unterdessen stimmen auch führende CDU-Politiker in die Kritik an den Energieversorgern mit ein. So warf der hessische Ministerpräsident Roland Koch den Konzernen am Montag schlechte Arbeit vor: Deutschland und Europa hätten Anspruch auf eine anständige Stromversorgung, diesen Anspruch hätten die Energieversorger nicht erfüllt, sagte Koch in Berlin. "Das geht nicht. Das ist ihre Verantwortung, die müssen sie wahrnehmen."

Der thüringische Ministerpräsident Dieter Althaus betonte: "Das darf nicht vorkommen." Und in Europa hätte dies auch keiner erwartet. Sein niedersächsischer Kollege Christian Wulff kritisierte, auf dem deutschen Strommarkt mangele es an Wettbewerb, weil die Stromkonzerne immer noch "monopolartige Gebilde" seien.

Zurückhaltender äußerte sich SPD-Chef Kurt Beck. Zunächst müsse man sich die Ursachen des Stromausfalls im Detail ansehen, sagte Beck vor einer Präsidiumssitzung seiner Partei in Berlin. "Ich glaube immer noch, dass wir in Deutschland eine der sichersten Stromnetze haben." Becks Perteigenosse Sigmar Gabriel bekräftigte am Montag jedoch seine scharfe Kritik vom Vortag. Er wirft den Unternehmen vor, ihre Netze trotz hoher Gewinne zu vernachlässigen.

Mitverursacher Windenergie?

In den Vorjahren hatten die Energiekonzerne noch standhaft behauptet, Ausfälle wie in den USA könne es in Deutschland nicht geben. Diese Annahme trifft Experten zufolge jedoch nicht zu. Das passiere immer wieder - auch wegen der Windenergie.

Der Zufall wollte es, dass beim letzten großen Stromausfall in den USA die Lenker der deutschen Energiekonzerne beim damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder zu Gast waren. Das würde in Deutschland nicht passieren, hatten sie Schröder beim Rotwein versichert. Das hiesige Stromnetz sei das modernste der Welt und über ganz Europa als Verbundnetz geknüpft, in dem man füreinander einstehe. Nun, drei Jahre später, schalten die Deutschen selbst europaweit die Lichter aus.

"Offenbar sind hier zwei Dinge zusammengekommen", sagte Bernhard Hillebrand, Chef des Berliner Energieforschungsinstituts EEFA, unserer Redaktion. Durch die Abschaltung der Höchstspannungsleitung im Emsland sei der Strom gezwungen worden, in andere Netze auszuweichen. Wenn diese Umgehungsnetze jedoch schon voll ausgelastet waren, etwa durch die Aufnahme von Windstrom oder durch die Lieferung an Endverbraucher, könne sich ein Netzengpass bilden. "Dieser kann unter ungünstigen Bedingungen bis zum Zusammenbruch führen."

Müssen wir häufiger mit Stromausfällen rechnen?

"Das ist nicht auszuschließen, vor allem wegen der unkoordinierten, stetig zunehmenden Einspeisung regenerativer Energien ins Netz", meint Hillebrand. Gegenwärtig sind die Netzbetreiber in Deutschland verpflichtet, jede nach dem Gesetz über erneuerbare Energien erzeugte Strommenge auch abzunehmen. "An windreichen Tagen ist das Aufkommen an Windstrom vor allem in Norddeutschland deutlich höher als der Verbrauch", sagt der Experte. Dann leiten deutsche Versorger den Strom nach Polen oder in die Niederlande ab. Gelingt dies nicht, glühen im übertragenen Sinn die Drähte. "Regenerative Energiequellen sollten in absehbarer Zeit wie konventionelle Stromanbieter auch zum Lastmanagement angehalten werden - Strom also nur einspeisen, wenn der entsprechende Bedarf vorhanden ist", fordert Hillebrand. Dazu müssten sie etwa ihre überschüssige Energie in Pumpspeicherwerken lagern.

Kann man Konzerne zwingen, mehr zu investieren?

Die Energiekonzerne fahren Jahr für Jahr Milliarden-Gewinne ein. Allein Eon hat 2005 einen Überschuss von 7,4 Milliarden Euro erwirtschaftet. Aus so viel Geld müssten sich eigentlich ausreichend Investitionen finanzieren lassen. Das Problem: Das Stromnetz ist ein natürliches Monopol. Das heißt vereinfacht: Ökonomisch sinnvoll ist nur eine Leitung vom Kraftwerk zum Verbraucher und die gehört einem Unternehmen. "Es käme volkswirtschaftlich deutlich teurer, wenn RWE, Eon, Vattenfall und EnBW Parallelleitungen in den Boden verlegen", erläutert Hillebrand. In einem solchen natürlichen Monopol könne es keine Wettbewerbspreise geben. Daher müssen die Preise staatlich reguliert werden, in Deutschland geschieht dies durch die Bundesnetzagentur. Ihre Kunst besteht darin, die Preise so weit zu senken, dass sie den tatsächlichen Netzkosten nahe kommen, andererseits aber auch ausreichende Gewinne und damit Investitionen erlauben.

Bekommen wir amerikanische Verhältnisse?

Was passiert, wenn der Staat die Preise zu stark drückt, zeigt Kalifornien. Hier hat die Behörde die Konzerne unter dem Druck von Verbrauchern und Politik zu so starken Preissenkungen gezwungen, dass diese ihre Investitionen drastisch kürzten. 2003 fiel für 30 Millionen Menschen der Strom aus.

Davon ist Deutschland weit entfernt. Doch Hillebrand warnt: "Grundsätzlich ist kein Stromnetz vor Zusammenbrüchen gefeit, auch wenn die Netzausfälle in Deutschland deutlich niedriger sind als etwa in Italien, Frankreich oder in den USA."

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