Steuerzahlerbund protestiert Streit um teure U-Bahn-Pläne in Köln

Köln · Nach dem Einsturz des Stadtarchivs ist die Eröffnung der Kölner-Nord-Süd-U-Bahn in weite Ferne gerückt. Jetzt wurde eine Teilinbetriebnahme beschlossen, die bis zu 40 Millionen Euro kosten soll. Der Steuerzahlerbund protestiert.

Bauhelfer durchsuchen Trümmer des Kölner Stadtarchivs
8 Bilder

Bauhelfer durchsuchen Trümmer des Kölner Stadtarchivs

8 Bilder

Die Kölner Verkehrsbetriebe (KVB) hoffen, durch eine enorme Investition 2500 neue Fahrgäste pro Tag zu gewinnen. Vier nagelneue U-Bahnhöfe, die sonst noch jahrelang verwaist wären, sollen so schnell wie möglich eröffnet werden. Es geht um den südlichen Teil der Kölner Nord-Süd-U-Bahn, die durch den Archiveinsturz in zwei Streckenabschnitte geteilt wurde.

Der Kölner Stadtrat hat beschlossen, die Südverbindung separat in Betrieb zu nehmen — obwohl damit erhebliche Zusatzkosten verbunden sind. Kritiker beziffern die Mehrausgaben mit 40 Millionen Euro. "Der Kölner U-Bahn-Bau entwickelt sich zu einem Fass ohne Boden", erklärt Eberhard Kanski, Leiter der Haushaltsabteilung beim Bund der Steuerzahler NRW. "Das Defizit von 265 Millionen Euro im Etat der Stadt Köln lässt solche Zusatzkosten nicht zu."

Einsturz-Ursache bis heute nicht geklärt

Die Kölner Nord-Süd-U-Bahn hätte schon 2011 in Betrieb gehen sollen. Doch der Einsturz des Kölner Stadtarchivs im März 2009 sorgte für eine neue Lage. Das Gebäude stürzte in die U-Bahn-Strecke, deren Bau unter der Severinstraße vorangetrieben wurde. Zwei Menschen starben, 36 Anwohner verloren ihre Wohnungen. Die Ursache ist bis heute nicht aufgeklärt.

Eine Betonwand, die die Baugrube absicherte, soll fehlerhaft gewesen sein. Derzeit wird ein Besichtigungsbauwerk an der Unglücksstelle errichtet, das der Staatsanwaltschaft bei der Untersuchung helfen soll. Es wird wegen fahrlässiger Tötung und Baugefährdung ermittelt. Experten rechnen damit, dass sich die Untersuchungen noch Jahre hinziehen können. Mit einer Inbetriebnahme vor 2019 sei nicht zu rechnen, heißt es.

Die Teilinbetriebnahme des Südabschnitts war von den Bezirkspolitikern im Kölner Süden schon lange gefordert worden. Doch die SPD im Kölner Stadtrat lehnte die Pläne ab. Die hohen Kosten stünden in keinem Verhältnis zu dem "geringen Verkehrswert", heißt es. So muss zur effektiven Nutzung des Abschnitts eine Wendeanlage im Stadtteil Rodenkirchen errichtet werden. Kosten: 2, 5 Millionen Euro. Für Fahrbetrieb und Instandhaltung werden jährlich rund 8,39 Millionen Euro fällig. Viel Geld für die Stadt-Tochter KVB, die 2011 ein Defizit von 73 Millionen Euro produzierte. "Für eine Kultur der Sparsamkeit ist das ein fatales Signal", kritisiert Andreas Henseler, Stadtverordneter der Freien Wähler im Kölner Rat.

Doch auch die Befürworter der Teilinbetriebnahme argumentieren mit Kostengründen. Sie befürchten, dass Fördermittel des Bundes verloren gehen, wenn die Nord-Süd-U-Bahn nicht rechtzeitig fertig wird. Die Zuwendungen basieren auf der Grundlage des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes, das am 31. Dezember 2019 ausläuft.

Die Länder Bayern, Baden-Württemberg und NRW haben indessen im Bundesrat bereits eine Verlängerung der Auszahlung der Fördermittel über 2019 hinaus beantragt. Die SPD rechnet daher, dass es den Befürwortern um Klientelpolitik geht. Der teure Anschluss des Südabschnitts kommt vor allem den Bürgern in der Kölner Südstadt zugute. Das Veedel ist eine Hochburg der Grünen.

Köln wird seit der Kommunalwahl im Jahr 2009 von SPD und Grünen regiert. Die Teilinbetriebnahme der Nord-Süd-Strecke treibt jetzt einen Keil in das Bündnis. Die Grünen votierten im Stadtrat an der Seite von CDU und FDP für das Projekt. Es sei "absurd", einen fertigen Streckenabschnitt nicht in Betrieb zu nehmen, sagt Sven Lehmann, Landeschef der Grünen aus Köln. Die arg gebeutelten Anwohner des Seve-rinsviertels hätten politische Unterstützung verdient. Die SPD lehnte die Teilinbetriebnahme ab.

Jetzt droht das rot-grüne Bündnis in der größten Stadt von NRW auseinanderzubrechen. Krisengipfel, die in den vergangen Tagen für Entspannung sorgen sollten, verliefen auch gestern ohne Ergebnis. Der Streit in der Domstadt wird in der Düsseldorfer Staatskanzlei mit wachem Auge verfolgt. Denn die Kölner Akteure mischen auf Landesebene an einflussreicher Stelle mit. Der Kölner SPD-Parteichef Jochen Ott ist Vize-Vorsitzender der NRW-SPD. Auch die Kölner Grünen werden von einer Prominenten angeführt. Ihre Chefin heißt Anne Lütkes — sie ist die Präsidentin des Regierungsbezirks Düsseldorf.

(RP/jco)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort