Streit um Entschädigungsforderungen Kein Ende der Hohenzollern-Debatte in Sicht

Frankfurt/Berlin · Seit Jahren beschäftigen die Hohenzollern mit ihren Entschädigungsforderungen die Öffentlichkeit und Historiker. Es geht um Geld, Geschichte - und ein schwarzes Schaf aus der Familie, die zwischen 1871 und 1918 das Deutsche Reich regierte.

  Außenaufnahme der Burg Hohenzollern in Hechingen (Baden-Württemberg, Archivbild).

Außenaufnahme der Burg Hohenzollern in Hechingen (Baden-Württemberg, Archivbild).

Foto: dpa/Silas Stein

Wer war Kronprinz Wilhelm von Preußen? In den vergangenen Jahren ist der 1951 verstorbene erste Sohn des letzten deutschen Kaisers in das Zentrum einer hitzigen Debatte gerückt. Im Kern geht es um die Frage, wie sich der Kronprinz - der in der Fachliteratur lange eine Fußnoten-Existenz führte - zum Aufstieg der Nationalsozialisten verhalten hat. Die Antwort auf diese Frage wiederum ist von entscheidender Bedeutung für ein juristisches Verfahren, mit dem die Familie Hohenzollern eine Rückgabe von in der Vergangenheit enteigneten Gütern erreichen will.

Vor einem Jahr veröffentlichte der Satiriker Jan Böhmermann vier Gutachten von Historikern zu dem Thema. Zwei davon kamen zu dem Schluss, dass der Kronprinz dem Aufstieg des NS-Regimes erheblichen Vorschub geleistet habe, zwei äußerten Zweifel. Inzwischen meldeten sich eine ganze Reihe weiterer Wissenschaftler zu Wort. Auch, weil sie dem Chef des Hauses Hohenzollern, Georg Friedrich von Preußen, vorwerfen, mit Abmahnungen und anderen juristischen Schritten die öffentliche Debatte zu behindern - was dieser energisch zurückweist.

Zurück zu Kronprinz Wilhelm. Das Wörtchen "erheblich" ist mit Blick auf seine Person von besonderer Bedeutung, weil sich die Hohenzollern auf das Ausgleichsleistungsgesetz berufen. Demnach verfallen die Ansprüche, wenn die damals Enteigneten dem nationalsozialistischen System "erheblichen Vorschub" geleistet haben.

Mit dem heute zusammengetragenen Wissen müsse man "zu dem Schluss kommen, dass es einen Zeitraum in der Endphase der Weimarer Republik gegeben hat, in dem der Kronprinz zu einem wichtigen politischen Akteur wurde, ein Zeitfenster etwa zwischen Herbst 1931 und Sommer 1932", meint nun der australische Historiker Christopher Clark in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".

Dies ist insofern bemerkenswert, als der renommierte Fachmann 2011 das erste Gutachten vorlegte und Wilhelm von Preußen damals recht milde beurteilte. Jetzt sagt Clark über den Adeligen: "Er ist kontinuierlich an den Versuchen beteiligt, die Demokratie zugrunde zu richten. Und die Zerstörung der Demokratie ist wiederum eine unverzichtbare Voraussetzung für die Machtergreifung der Nationalsozialisten." Wilhelm, so Clark, kungelte wie ein Weltmeister am rechten Rand und warb für Adolf Hitler - auch wenn er bald schon von den Nazis kaltgestellt wurde.

Genau darin zeigt sich dem Historiker zufolge jedoch ein großes Dilemma in der aktuellen Auseinandersetzung: "Über die Frage nach dem 'erheblichen Vorschub' bei der Machtergreifung der Nationalsozialisten kann man die Bedeutung dieses Mannes nicht erfassen." Clark plädiert für mehr Gelassenheit auf beiden Seiten - sowohl der Historiker als auch des Hauses Hohenzollern. Zugleich räumt er ein, dass ihn die "Leidenschaftlichkeit der Debatte" überrascht, "manchmal auch schockiert" habe.

Auf der Homepage der Hohenzollern werden die rein rechnerischen Ansprüche auf 1,2 Millionen Euro beziffert, dazu komme eine Rückgabe von "Mobilien", also beweglichen Gütern, sowie die Möglichkeit, noch in staatlichem Besitz befindliche land- und forstwissenschaftliche Flächen zurückzuerwerben. Man wolle all diese Ansprüche gar nicht vollumfänglich durchsetzen, betonen die Hohenzollern. Vielmehr sei das Anliegen, im Einvernehmen mit den beteiligten Institutionen und staatlichen Stellen "in verbindlicher Form" sicherzustellen, "wie mit den betroffenen Mobilien, etwa unter konservatorischen Aspekten, umgegangen wird, und wo sie letztlich verbleiben sollen".

Letzten Endes geht es also auch um Deutungsmacht über ein wichtiges Kapitel deutscher Geschichte in den Museen und historischen Stätten des Landes. Clark ist nicht der einzige, der die Haltung der Hohenzollern in diesem Punkt kritisiert. Jede Form der Einflussnahme auf die Tätigkeit staatlicher Museen sei "vollkommen inakzeptabel". Die Verhandlungen des Bundes und der Länder mit dem Haus Hohenzollern ruhen derzeit. Unterdessen wird die Forschung zu Kronprinz Wilhelm weitergehen. Zeitgenossen wie sein bayerischer Amtskollege Rupprecht hielten ihn offenbar für einen politischen Blindgänger: Dieser sei "ein Rohr im Winde".

(felt/kna)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort