Mord verjährt nicht Strafverfolger rechtfertigt späte NS-Prozesse

Frankfurt/Main (RPO). Späte Prozesse gegen mutmaßliche NS-Täter wie John Demjanjuk oder Heinrich B. sind nach Ansicht von Strafverfolgern gerechtfertigt und mit Blick auf unklare Rechtsfragen auch sinnvoll. Im AP-Interview verteidigte der Leiter der Zentralen Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg, Kurt Schrimm, diese mit Spannung erwarteten Verfahren.

Mord verjährt nicht: Strafverfolger rechtfertigt späte NS-Prozesse
Foto: ddp

Am Mittwoch begann der Prozess gegen den 88-Jährigen B., der sich wegen dreier Morde an Zivilisten vor dem Aachener Landgericht verantworten muss. Demjanjuk steht voraussichtlich ab Ende November in München vor Gericht.

"Der Gesetzgeber hat sich 1979 bewusst dafür entschieden, die Verjährung für Mord gänzlich aufzuheben. Und deswegen sehe ich keinen Grund, diese Fälle anders zu behandeln", betonte der Leitende Oberstaatsanwalt und fügte hinzu: "Mord verjährt nicht." Zudem seien speziell im Fall des von den USA nach Deutschland ausgelieferten mutmaßlich NS-Verbrechers Demjanjuk ungelöste Rechtsfragen von Interesse. "So ist in seinem Fall entscheidend, dass er zur Tatzeit nicht deutscher Staatsbürger war und die Taten nicht auf deutschem Boden, wohl aber auf deutschen Befehl hin geschahen."

"Von dem Urteil hängt viel ab"

Schrimm wies auf einen weiteren Punkt hin: "Demjanjuk wird kaum eine einzelne Tötungshandlung nachgewiesen werden können, es geht vielmehr um ihn als Teil einer Tötungsmaschinerie und die sich daraus ergebende Zurechnung der Straftaten. Von dem Urteil hängt viel ab."

Bei der Ludwigsburger Behörde sind im Schnitt noch 25 Verfahren anhängig. "Sehr viele" würden nach jetzigem Stand aber "wahrscheinlich nicht weitergeführt werden". Dies bedeutet nach Worten Schrimms aber nicht, dass die Verfolgung von NS-Taten bald zu Ende sei. Denn aus der aktuellen Arbeit ergäben sich immer wieder neue Anknüpfungspunkte, "so dass ich jetzt nicht sagen kann, wann ein generelles Ende absehbar ist und wie erfolgreich bestimmte Ermittlungen sind".

Unterm Strich sieht der Strafverfolger die Ahndung der NS-Verbrechen durch die deutsche Justiz als erfolgreich. Zwar seien zu Beginn in den frühen 1950er Jahren Fehler gemacht worden. "Mitunter mag da auch ein politischer Wille dahinter gestanden haben." Man müsse aber auch bedenken, "dass unsere Behörde seit ihrer Gründung 1958 absolutes Neuland beschritten hat. Es ist einzigartig, dass ein Volk die eigenen Verbrechen über Jahrzehnte verfolgt. Wir mussten immer wieder dazu lernen, und es gab auch viele Erfolge".

(AP/awei)
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