Klausurtagung der SPD Parteispitze auf Sinn- und Rezeptsuche

Behnitz · Die Edathy-Affäre belastet die Glaubwürdigkeit der SPD, in Umfragen klebt sie bei 25 Prozent. Die Stimmung könnte besser sein - bei einer Klausur sucht die Parteispitze um Gabriel nach Wegen aus dem Tal.

Das ist Sigmar Gabriel
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Erst erschießt ein alter Bauer einen Mitarbeiter des Veterinäramtes, weil der ihm 25 Rinder wegnehmen sollte. Und dann kommt auch noch die Bundesspitze der SPD. Dabei sei doch sonst nicht viel los in Behnitz, sagt die Dame von der Pension.

Und nicht nur die Parteispitze ist am Sonntag ins Havelland gekommen, auch die Bundesminister und Ministerpräsidenten der SPD sind im "Landgut A. Borsig" dabei. Die zweitägige Klausur dient auch der Sinn- und Rezeptsuche. Denn die Partei ist nervös und auch ratlos, warum in Umfragen bisher nicht honoriert wird, dass man große Wahlversprechen, wie 8,50 Euro Mindestlohn und teure Rentengeschenke, eingelöst hat. Aber da sind auch dunkle Schatten wie die Edathy-Affäre, die die Glaubwürdigkeit der SPD erschüttert, weil sich die Partei nur bedingt aufklärungsbereit zeigt.

SPD-Chef Sigmar Gabriel äußert sich zum Klausurauftakt erstmals zur Aussageverweigerung des Bundestagsabgeordneten Michael Hartmann im Edathy-Ausschuss. Es gab zuvor neue Zeugenaussagen, Hartmann habe den damaligen SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy vor Kinderpornografie-Ermittlungen gewarnt. "Das ermöglicht jede Form von Verschwörungstheorie. Deswegen wäre es besser, wenn Michael Hartmann sagen würde, was er weiß", mahnt Gabriel.

Die Kernforderungen der SPD
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Foto: dpa, Patrick Seeger

Hat der Parteichef einen Plan, wie es insgesamt vorwärts gehen kann? Das neue Zauberwort der SPD lautet: "Arbeitende Mitte". Bei den 30- bis 50-Jährigen, der "Gehetzten Generation", hat die Partei viel Zustimmung verloren. Nun wird über neue steuerfinanzierte Teilzeitmodelle für Väter und Mütter und mehr Kinderbetreuung nachgedacht. Neben Job und Kindern müssen oft noch Eltern gepflegt werden. "Für diese Fragen richten wir ein weiteres Themenlabor ein, das Familienministerin Manuela Schwesig leiten wird", sagt Fahimi. Gabriel meint zu dem komplexen Thema: "Es ist die Aufgabe von Parteien, sich großen Baustellen zu widmen."

Generalsekretärin Yasmin Fahimi warnt die Partei vor Hektik und Themenhopping. "Bei aller Schnelllebigkeit unserer Zeit sind wir nicht gut beraten, wenn wir uns von den demoskopischen Umfragen tagespolitisch treiben lassen." Vertrauen stärke man, indem die SPD klaren Kurs halte. Doch der ist vielen Bürgern von der Steuer- über die Rüstungs- bis zur Freihandelspolitik nicht klar.

Intern wächst der Frust. Dabei hatte es zunächst viel Lob dafür gegeben, wie Gabriel die Genossen in die große Koalition gelotst und was er der Union alles abgetrotzt hatte. Er mache einen fantastischen Job, hieß es. Jetzt ist man in der SPD wieder in der Lästerphase: Er entscheide zu viel aus dem Bauch heraus. Die Vermögenssteuer - ein Lieblingsprojekt der SPD-Linken - erklärte er für tot. Beim Freihandelsabkommen mit Kanada und den USA warnt er seine SPD vor Chlorhühnchen-Angst und Blockade.

Das ist Yasmin Fahimi
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Jüngste Aufreger: das Pegida-Thema. Gabriels Besuch bei einer Pegida-Diskussion in Dresden sei nicht wirklich abgesprochen gewesen, heißt es. Zudem stieß er die in der SPD vor den Kopf, die sich um Flüchtlinge kümmern und Gegendemos organisieren.

Etwas schräg fand man auch seine Aussage in einem "Stern"-Interview, dass Pegida offensichtlich zu Deutschland gehöre. "Es gibt ein demokratisches Recht darauf, rechts zu sein oder deutschnational", meinte er, "sogar ein Recht, Dummheiten zu verbreiten wie die angebliche Islamisierung Deutschlands."

Der Bundeswirtschaftsminister hat nicht mehr viel Zeit, sein Image so zu drehen, dass die Bürger einen Kanzlerkandidaten Gabriel für eine Alternative zu Angela Merkel (CDU) halten. Das größte Problem aber:
Seit Jahren ist das Profil diffus. Mal wird linke Politik gemacht, mal heißt es mehr Wirtschaft, mehr Mitte.

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Gabriel kann rhetorisch mitreißen und hat ein Gespür für die Sorgen der Bürger. Aber der Druck auf ihn wächst. Er, der immer noch zwischen seinem Heimatort Goslar und Berlin pendelt, läuft Gefahr, sich zu viel aufzuhalsen. Damit wächst die Gefahr von Fehlern. Ein völliger Gegenentwurf zu ihm ist Olaf Scholz: Unaufgeregt, strategisch, verschwiegen.

Kanzlerin Merkel schätzt die Zuverlässigkeit des Hanseaten, etwa bei der Reform der Bund-Länder-Finanzbeziehungen. In einer Woche wird Scholz Gabriel den schönsten Wahlsonntag seit langem bescheren. Holt er gar wieder die absolute Mehrheit, wird er aber garantiert auch eine Frage gestellt bekommen: Die nach einer Kanzlerkandidatur.

(dpa)
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