Bundesverfassungsgericht Sicherungsverwahrung für Sexualstraftäter verhindert

Karlsruhe (RPO). Diese Entscheidung wird Eltern schwer verständlich gemacht werden können: Der Sexualstraftäter Gerd W. aus Leipzig ist vorerst auf freiem Fuß, weil das Bundesverfassungsgericht eine Anordnung des Landgerichts Leipzig auf nachträgliche Sicherungsverwahrung als unbegründet aufgehoben hat.

 Das derzeitige Gebäude in Karlsruhe muss grundsaniert werden.

Das derzeitige Gebäude in Karlsruhe muss grundsaniert werden.

Foto: AP, AP

Der 53-Jährige, der ein Kind vergewaltigt hatte, wurde unmittelbar nach dem Karlsruher Beschluss vom Mittwoch vergangener Woche aus der Justizvollzugsanstalt Leipzig entlassen, wie eine Sprecherin des Leipziger Landgerichts am Mittwoch mitteilte. Der Mann stehe seitdem unter Führungsaufsicht und dürfe sich bis zur erneuten Prüfung des Falles durch das Landgericht Chemnitz keinen Kindern nähern.

Der bereits zu DDR-Zeiten auffällige Gerd W. kam 1992 in Untersuchungshaft und wurde 1993 wegen Vergewaltigung und sexuellen Missbrauchs eines Kindes zu drei Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Vor Verbüßung der restlichen Haftstrafe hatte das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet, wo sich der Täter bis 2007 befand. Als dann bei dem Mann zahlreiche Zettel gefunden wurden, auf welchen er neben Namen und Anschriften von Mädchen im Kindesalter auch deren körperliche Merkmale und teilweise deren Telefonnummern notiert hatte, ordnete das Landgericht mit Blick auf die nahende Entlassung des Mannes im Februar 2008 nachträgliche Sicherungsverwahrung an. Zur Begründung hieß es, es sei nicht auszuschließen, dass der Mann "mittel- oder langfristig" erneut "sexuelle Übergriffe" begehen werde.

Den Unterbringungsbefehl des Landgerichts vom März 2008 hoben die Verfassungshüter nun in ihrem am Mittwoch veröffentlichten Beschluss auf, weil die Leipziger Richter die Gefährlichkeit des Mannes nicht ausreichend belegt hätten. Das Landgericht hätte vielmehr darlegen müssen, dass Gerd W. "mit hoher Wahrscheinlichkeit" schwere Straftaten begehen könnte, "durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden", heißt es in dem Karlsruher Beschluss. (AZ: 2 BvR 749/08)

Wie gefährlich der Sexualstraftäter wirklich ist und ob er doch noch in Sicherungsverwahrung kommt, wird das Landgericht Chemnitz in einer umfassenden Verhandlung klären müssen: Auf die Revision von Gerd W. hatte der Bundesgerichtshof (BGH) bereits das Urteil des Leipziger Landgerichts zur nachträglichen Sicherungsverwahrung wegen Rechtsfehlern im September aufgehoben und den Fall zur erneuten Prüfung an das Landgericht Chemnitz verwiesen. Nun entschieden auch die Karlsruher Verfassungsrichter entsprechend und hoben auch den Leipziger Unterbringungsbefehl auf. Bis zur weiteren Entscheidung des Chemnitzer Landgerichts bleibt Gerd W. auf freiem Fuß.

Scharfe Kritik von Kinderhilfe

Die Deutsche Kinderhilfe warf den Juristen deswegen Zynismus vor. Sexuelle Gewalt gegen Kinder habe im Rechtssystem ohnehin einen niedrigeren Stellenwert als Eigentumsdelikte. Der Beschluss sei in seiner Tragweite kaum vorstellbar. "Er schränkt die nachträgliche Sicherungsverwahrung faktisch so weit ein, dass bei Sexualstraftätern dieses Instrument nur noch in absoluten Ausnahmefällen angewandt werden kann", erklärte der Vorstandsvorsitzende der Kinderhilfe, Georg Ehrmann.

Mit der Sicherungsverwahrung soll die Öffentlichkeit vor gefährlichen Straftätern geschützt werden. Voraussetzung ist unter anderem eine Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren sowie zwei Vorstrafen, die jeweils mit mindestens einem Jahr Haft geahndet wurden.

(afp)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort