Umfrage zu sexueller Belästigung Deutsche zeigen sich toleranter als Briten

Köln · Wo fängt sexuelle Belästigung von Frauen an? Die Antworten dazu fallen in Europa durchaus unterschiedlich aus. Eine Umfrage in sieben europäischen Ländern zeigt: In Deutschland haben viele Menschen anscheinend eine relativ hohe Toleranzgrenze.

 Die Hand eines Mannes liegt auf dem Knie einer Frau (Symbolbild).

Die Hand eines Mannes liegt auf dem Knie einer Frau (Symbolbild).

Foto: dpa, kj sir kde

Als Mann einer Frau einen Sexwitz erzählen? Oder einer Frau auf die Brüste schauen? Für die Mehrheit der Erwachsenen in Deutschland ist das anscheinend noch keine sexuelle Belästigung. Im europäischen Vergleich zeigen sie damit recht viel Toleranz, wie eine repräsentative Umfrage in sieben Ländern ergab.

Das Meinungsforschungsinstitut YouGov hatte im Oktober insgesamt 8490 Frauen und Männer in Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Dänemark, Schweden, Finnland und Norwegen befragt. Da war die Debatte um Vorwürfe sexueller Übergriffe gegen Hollywood-Mogul Harvey Weinstein (65) bereits in vollem Gange.

Bei vielen Aspekten seien sich die Befragten in den verschiedenen Ländern zwar einig, schlussfolgern die Meinungsforscher. So sei es jeweils für die Mehrheit ein No-Go, wenn Männer Frauen zu sexuellen Gefälligkeiten auffordern, ihnen an den Po fassen, Genitalien entblößen oder versuchen, Frauen unter den Rock zu fotografieren. Bei anderen Aspekten gelte jedoch: "Andere Länder, andere Sitten."

Beim Thema Sexwitze sagten 59 Prozent der Befragten in Deutschland, dass dies noch keine sexuelle Belästigung sei. Frauen und Männer sind hier mit 57 beziehungsweise 61 Prozent nahe beieinander. Größer war der Unterschied beim Thema Auf-die-Brüste-Schauen, doch auch hier ist die Tendenz gleich: YouGov zufolge ist das für 73 Prozent der in Deutschland befragten Männer keine sexuelle Belästigung, bei den Frauen sehen es 58 Prozent so - ebenfalls die Mehrheit.

Weniger Toleranz zeigen etwa die Befragten in Großbritannien: Sexwitze sind hier für insgesamt 69 Prozent als sexuelle Belästigung einzustufen (Männer: 67 Prozent; Frauen: 70 Prozent). Die Mehrheit der britischen Frauen (57 Prozent) betrachtet laut YouGov - anders als in Deutschland - auch den Blick aufs Dekolleté als sexuelle Belästigung (Männer: 43 Prozent).

Sexwitze werden in Finnland (67 Prozent) und Frankreich (53 Prozent) ebenfalls mehrheitlich als sexuell belästigend betrachtet, während das in Norwegen 47 Prozent, in Schweden 38 Prozent und in Dänemark sogar nur 17 Prozent so sehen (Frauen und Männer jeweils zusammengezählt). Dänen scheinen auch recht nachsichtig zu sein, wenn Männern Frauen auf die Brüste schauen: Nur 26 Prozent von ihnen stufen das laut YouGov als sexuell belästigend ein - noch etwas weniger als in Deutschland, wo es insgesamt 29 Prozent so sehen.

"Zuzwinkern ist in den meisten Fällen auch erlaubt", schließen die YouGov-Forscher aus den Ergebnissen der sieben Länder. Auffallend ist, dass ausgerechnet die Franzosen, die gemeinhin als besonders gut beim Flirten gelten, wesentlich häufiger als die übrigen Befragten sagen, schon Zuzwinkern könne sexuell belästigend sein. Fast jeder vierte Franzose (23 Prozent) sieht das so. In Deutschland antworteten gerade einmal 6 Prozent entsprechend, wobei Männer und Frauen nahezu einer Meinung sind.

Dutzende Frauen werfen dem Hollywood-Produzenten Weinstein ("Pulp Fiction", "Shakespeare in Love", "Herr der Ringe") sexuelle Belästigungen bis hin zur Vergewaltigung vor. Der 65-Jährige streitet nicht-einvernehmlichen Sex ab. Seit gut einem Monat wird der Fall intensiv diskutiert - dabei geht es auch um die Frage, wo sexuelle Belästigung anfängt. Unter dem Schlagwort #MeToo schilderten in sozialen Netzwerken unzählige Frauen ihre Erlebnisse.

Neben Weinstein sehen sich inzwischen etliche weitere Prominente mit Vorwürfen sexueller Übergriffe konfrontiert, in der Filmbranche etwa "House of Cards"-Star Kevin Spacey, der junge Männer belästigt haben soll. Vorwürfe richten sich auch gegen Politiker: In Großbritannien trat Michael Fallon als Verteidigungsminister zurück; in Österreich räumte Grünen-Urgestein Peter Pilz seinen Abgeordnetenposten.

(wer)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort