"Schweigen sagt mehr als alle Worte" Sehnsuchtsvolle Sommernächte

Grevenbroich (rpo). Sie sehen sich an, und das darauffolgende Schweigen sagt mehr als alle Worte, die sie sich noch nicht erlauben, dazu ist es zu früh, erst später werden sie es aussprechen können, was sie in diesem Moment doch beide schon wissen, so wie auch ich. Die Situation ist so klischeehaft, daß ich darüber lachen müßte, wäre nicht ich es, die danebensitzt und zusieht, unbeteiligt, als betrachte ich einen Film, dessen Ausgang ich schon kenne, weil sich die Handlung nie ändern wird. In diesem Moment gelingt es mir noch nicht.

Ich probiere ein Lächeln, das keiner von ihnen bemerkt, zu sehr verschmelze ich in ihren Augen wohl mit der Wand in meinem Rücken, die ein wenig Halt verspricht, doch als ich mich vorsichtig nach hinten lehne, wirft die Wärme ihrer Oberfläche mich zurück in die Wirklichkeit. Die Hitze des Tages noch unter der Haut gespeichert, sitzen wir in dieser Sommernacht zusammen, der Wein in unseren halben Gläsern fast schwarz, die Sonnenbrillen in die Haare geschoben oder in die Hemdtasche, den schweren Geruch des Seewassers noch in der Nase, schwebend auf den letzten Wellen eines vollkommenen Tages. Sie ist nicht die einzige Bekannte gewesen, die ich heute dort getroffen habe, und daß sie mit uns gekommen ist, mit mir und meinem besten Freund, habe ich für Zufall gehalten, bis zu diesem Moment, diesem Blick, diesem gleichzeitigen Einatmen, als könnten sie die Süße der Luft zwischen ihren Mündern nur ertragen, wenn sie sie gleichzeitig kosteten.

Mühsam lasse ich meinen Blick auf ihnen verharren, ohne verhindern zu können, daß er schließlich doch abgleitet, auf den Tisch, die Straße entlang zu den kleinen Häusern, hinter denen unser See schläft, und weiter hinauf zu einem schweigenden Mond, der uns ungerührt betrachtet, eine Szene wie viele, tausendmal gesehen, doch nicht von mir; und dennoch verwundert mich kaum, daß gerade ich es gewesen bin, die die beiden einander vorgestellt hat, nur ein weiteres Klischee an diesem Tag unter einem perfekten blauen Himmel, den es gerade noch irgendwo gegeben haben muß. Vergeblich suche ich nach der Kraft aufzustehen, aus dem Lichtschein des kleinen Cafés hinauszugehen in die gnädige Schwärze der Nacht, diese beiden Menschen, die mich längst schon vergessen haben, hinter mir zu lassen. In seinen Haaren spiegelt sich der Mond, aus ihren tropfen noch letzte Sonnenperlen, und meine Gewißheit, daß diese beiden besser zusammenpassen, als er und ich es je getan haben, macht nichts leichter.

Den Mut, meinen Blick in seinen Augen ruhen zu lassen, habe ich nie gefunden, unbeholfen wir beide, unsicher, in den seltenen Momenten, die Nähe versprochen haben und das Mehr, um das ich sie nun beneide, in diesen verpaßten Augenblicken, die einen Hauch von Magie verheißen haben. Langsam koste ich die schwere Süße des Weines, lehne mich zurück an die wärmende Hauswand, stelle das Glas zurück auf den Tisch. Auf der schwarzen, schwankenden Oberfläche fließen die Lichter des Cafés mit dem des Mondes zusammen, durchwirkt von erinnerter Sonne. Diesmal gelingt mir im Aufschauen ein Lächeln, das mir fast echt erscheint und auch die Augenwinkel der beiden erreicht, die ihren Blick nicht voneinander lösen wollen und es dennoch schließlich schaffen.

Auf die besorgte Frage in ihrem Gesicht weiß ich nur mit einem breiteren, echteren Lächeln zu antworten, das sie endlich glaubt; ruhig hebt sie ihr Glas, wie auch er und ich, und das leise Klingen, als wir anstoßen, durchflirrt dreifach die Nacht. Ihr erster scheuer Kuß schmerzt mich nicht mehr. Ein Hauch von Magie liegt noch immer in der Luft, Nachhall eines längst vergessenen Duftes, als wir später, seine Arme um ihre und meine Schultern gelegt, den fast gemeinsamen Heimweg beginnen. In dieser Nacht freue ich mich mit ihnen, für sie; nur ein weiteres Klischee unter vielen, und doch: In dieser Nacht ahne ich, wie es sein könnte, vielleicht in einem anderen Sommer, einer anderen Stunde, einem anderen ersten Blick.

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