Rechtsempfinden Sebastian Edathy - im Netz entlädt sich die Wut

Düsseldorf · 5000 Euro, Verfahren eingestellt und formal auch nicht schuldig. Für Sebastian Edathy hat der Kinderporno-Prozess ein glimpfliches Ende genommen. Doch in sozialen Netzwerken entlädt sich die Wut. Tausende empfinden das Urteil als einen Skandal. In vorderster Front schimpft Til Schweiger.

Sebastian Edathy: "Die Vorwürfe treffen zu" - Bilder des Prozesses
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Kinderporno-Prozess in Verden: Sebastian Edathy legt Geständnis vor Gericht ab

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Foto: dpa, jst cul

Nur wenige Stunden, nachdem das Landgericht Verden das Verfahren gegen den ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten gegen ein Bußgeld von 5000 Euro eingestellt hatte, kursieren im Netz Fotomontagen. Darauf zu sehen: Auf der einen Seite Edathy, das Stichwort Kinderpornographie, 5000 Euro, auf der anderen Seite Marco Reus, Fahren ohne Führerschein, 540.000 Euro.

Immer wieder der Vergleich mit Reus

Zahlreichen Nutzern läuft bei diesem Vergleich die Galle über. Dass die Justiz einen Mann mit einer harmlosen Geldbuße davonkommen lässt, der indirekt Kinder missbraucht hat, aber einen lieben Jungen, der zu dämlich war den Führerschein zu machen, mit einer hundertfach höheren Strafe belegt, können sie beim besten Willen nicht nachvollziehen.

Das ist Sebastian Edathy
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Das ist Sebastian Edathy

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Entsprechend groß ist nun die Wut. Auf Edathy und dessen uneinsichtiges Verhalten. Aber auch auf die deutsche Justiz, die so etwas möglich macht. Rein rechtlich ist dem Gericht zwar kein Vorwurf zu machen. Auf Grundlage von Paragraph 153 a der Strafprozessordnung ist die Einstellung eines Verfahrens möglich, wenn die "Schwere der Schuld" dem nicht entgegensteht. Doch gerade bei dieser Frage nach der Schuld fehlt vielen jegliches Verständnis für die Einordnung des Gerichts. Wie kaum ein anderes Verhalten ist Pädophilie sozial geächtet.

Ermunterung für Pädophile

In rasender Geschwindigkeit wächst nun die Zustimmung zu einer Online-Petition auf der Plattform openpetition.de. Mehr als 154.000 Menschen erheben dort Widerspruch gegen die Einstellung des Verfahrens und verlangen, dass sich der Bundestag mit ihrer Forderung auseinandersetzt. Im Diskussionsforum wird dem Gericht eine Sonderbehandlung Prominenter vorgeworfen, eine zu geringe Höhe der Geldbuße moniert und Edathy das Recht auf eine zweite Chance abgesprochen.

Chronologie des Falles Edathy
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Chronologie des Falles Edathy

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Auch Prominente zeigen sich angesichts des Verfahrensendes fassungslos. Bei Facebook und in einem Beitrag für stern.de verzweifelt in vorderster Reihe etwa Til Schweiger am deutschen Rechtssystem: "Warum kann ein Mann, bei dem erwiesenermaßen strafbares Material gefunden und diese Tatsache in einem amtlichen Bericht dokumentiert worden ist, warum kann dieser Mensch das Gericht als freier Mann verlassen?", schreibt er dort. Dieses Verfahren müsse doch eine Ermunterung für jeden Pädophilen sein.

"Warum kommentiert mich Til Schweiger?"

Zuvor war er auf Facebook schon direkt mit Edathy aneinandergeraten. "Er bezahlt 5000 und Reus 500.000! Irgendwas stimmt hier nicht….! Ich bin wütend…!!!, schrieb Schweiger. Der Beitrag vom Montag erhielt inzwischen mehr als 123.000 Likes. "Warum kommentiert mich Til Schweiger", fragte der Politiker darauf in einem Posting, in dem er sich öffentlich über die Wut gegen ihn wunderte.

Noch heftiger wird Edathy durch den Musiker und TV-Darsteller Jan Leyk ("Berlin Tag & Nacht") angegriffen. Den ehemaligen SPD-Politiker beschimpft er mit nicht zitierfähigen Begriffen und droht ihm körperliche Gewalt an. "Laufen Sie mir niemals über den Weg und wenn doch, dann gnade Ihnen Gott, dass (…) Ihre Personenschützer gut ausgebildet sind", heißt es in einem langen Statement. In einem früheren Posting fordert Leyk indirekt dazu auf, Edathy zu bespucken und mit Steinen zu bewerfen.

Anregungen zur Lynchjustiz

Die drastische Auslassungen finden sogar noch mehr Zuspruch als die von Til Schweiger: Mehr als 240.000 Menschen haben "Gefällt mir angeklickt", in einigen Kommentaren finden sich Anregungen zur Lynchjustiz.

Justiz und Politik sollte das zu denken geben.

(pst)
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