16 Millionen Dosen in Müllverbrennungsanlage Schweinegrippe-Impfmittel werden vernichtet
Magdeburg · Mehr als zwei Jahre nach der Schweinegrippen-Pandemie haben die Bundesländer mit der endgültigen Vernichtung nicht verbrauchter Impfstoffe begonnen. Auf Beschluss aller Länder werden in einer Müllverbrennungsanlage in Magdeburg (Sachsen-Anhalt) seit Dienstag insgesamt rund 16 Millionen Dosen aus deren gemeinsamer Impfstoffreserve zerstört, wie ein Sprecher des federführenden Gesundheitsministeriums von Sachsen-Anhalt sagte.

Antworten auf häufige Fragen von Eltern zur Schweinegrippe
Die Aktion soll bis Mittwoch dauern. Der Materialwert der inzwischen nicht mehr verwendbaren Medikamente belaufe sich auf etwa 130 Millionen Euro. Die Verbrennung selbst koste 14.000 Euro. Die Schweinegrippe hatte sich Anfang 2009 von Mexiko aus über die ganze Welt verbreitet. Im Juni des Jahres erklärte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) das Auftreten des neuen Erregertyps zu einer Pandemie und hob die Warnung erst im August 2010 auf.
An der Schweinegrippe starben weltweit 18.500 Menschen. Weil es auch Deutschland zu Erkrankungen kam, legten die Gesundheitsbehörden der Bundesländer im Laufe des Jahres 2009 Vorräte mit neuartigen Impfstoffen wie Pandemrix an. Mutierte Varianten von Grippenviren können verheerende Folgen haben. Die sogenannte spanische Grippe von 1918 etwa tötete viele Millionen Menschen und gilt als eine der schwersten Infektionswellen der Geschichte.
Die deutschen Bundesländer kauften damals nach Angaben des Sprechers rund 34 Millionen Impfstoffdosen und lagerten sie in einer gemeinsamen Zentral-Reserve sowie in separaten Länder-Beständen ein. Es ließen sich jedoch weit weniger Menschen impfen als erwartet, auch weil die Schweinegrippe-Welle viel harmloser verlief als befürchtet. Es wurden nur etwa 5,3 Millionen Dosen verbraucht.
Die Bestände der Länder wurden bereits vernichtet, als letztes folgt mit der Aktion in Magdeburg nun auch die zentrale nationale Reserve. Die 16 Millionen dort gelagerter Impfdosen hätten inzwischen ihr Haltbarkeitsdatum erreicht, sagte der Sprecher des Gesundheitsministeriums. Ihm zufolge hätten sie seit dem offiziellen Ende der Pandemie im vergangenen Jahr ohnehin nicht mehr verwendet werden dürfen, weil ihre Zulassung in der EU nur aufgrund einer Sonderregelung für diesen Fall galt. Inzwischen sind die normalen Grippeschutz-Impfungen so weiterentwickelt worden, dass sie auch gegen Schweinegrippe-Erreger schützen.
Medikamente und falsche Markenjeans teilen Schicksal
Die Aktion stößt auf enormes Medieninteresse. Fernsehkameras verfolgen den Start der Vernichtungsaktion, Fotografen lichten die letzten Packungen des Impfstoffs Pandemrix ab, Rundfunkjournalisten führen Interviews. Für den Geschäftsführer des Müllheizkraftwerks, Rolf Oesterhoff, dagegen ist alles "normaler Alltag". "Wir haben entsprechende Zulassungen, um solchen Sondermüll verbrennen zu können", sagt er.
Pharmaproduzenten schicken aus unterschiedlichsten Gründen nicht verwendbare Chargen ihrer Medikamente regelmäßig nach Magdeburg. 80 Tonnen wie heute kämen sonst durchaus in einer Woche auch zusammen.
Eher seien sie ein bescheidenes Zusatzgeschäft, denn die Jahreskapazität von 560.000 Tonnen Müll lasse sich so kaum erreichen. Die Besatzung im Leitstand beobachtet ungerührt, wie 17 Kameras die Kontrollbilder aus allen Bereichen des Kraftwerks liefern.
Bei 1000 Grad lösen sich Impfstoffe auf
Auf dem beweglichen Rost von 66 Quadratmetern Größe beträgt die Temperatur mehr als 1000 Grad Celsius. Es dauert etwa 60 Minuten bis zur vollständigen Verbrennung der jeweiligen Müllmenge. Der Brennwert der Impfstoffampullen sei vergleichbar mit Braunkohle. Mit der entstehenden Energie versorge sein Unternehmen unter anderem 44.000 Haushalte von Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt mit Wärme, erläutert Oesterhoff. Die zurückbleibenden Reststoffe, wie Schlacke, fänden unter anderem beim Straßenbau oder beim Abdecken von Deponien Verwendung.