Gefährdete Flugakrobaten Schwalben machen sich ab Ende August auf den Weg nach Afrika

Bonn · Schwalben sind wahre Flugkünstler. Sie haben sich an den Mensch gewöhnt, gleichwohl sind sie gefährdet. Bald machen sie sich auf den Weg in ihre Winterquartiere.

 Die Schwalben sind gefährdet.

Die Schwalben sind gefährdet.

Foto: Getty Images/iStockphoto/avs_lt

Derzeit sammeln sie sich wieder in Schwärmen auf Stromleitungen, an Kirchendächern oder auf Felsvorsprüngen. Und bereiten sich mit waghalsigen Flugmanövern auf eine lange Reise ins Winterquartier vor. Eine anstrengende und gefährliche Reise für die Schwalben. Nur jede zweite zurück, schätzen Ornithologen. Vor allem, weil sie in den Mittelmeer-Anrainerstaaten illegal gefangen werden.

„An Mariä Geburt fliegen die Schwalben furt“, heißt es in alten Bauernregeln zum 8. September. Tatsächlich machen sich Mehlschwalben, Rauchschwalben und Uferschwalben - ja nach Art und Jahr unterschiedlich - ab Ende August reisefertig. Sie sammeln sich zunächst bis Ende September im Süden Deutschlands, um dann die 4.000 Kilometer lange Reise nach Afrika anzutreten. Dabei müssen sie die Alpen, das Mittelmeer und die Sahara überqueren.

Kaum ein Vogel hat eine so enge Beziehung zum Menschen wie die Schwalben. Jahrhunderte lang gehörten sie ganz selbstverständlich in jedes Dorf. Schwalben, die an ihre alten Niststandorte zurückkehren, haben sich als Kulturfolger an eine vom Menschen geprägte Umgebung angepasst. Sie tauschten ihre ursprünglichen Brutplätze an felsigen Steilküsten gegen einen Platz im Stall oder an der Hauswand ein. Als einer der wenigen Vögel kommen sie sogar zu den Menschen ins Haus.

Deshalb haben die Flugkünstler auch ihre Spuren in der Kulturgeschichte hinterlassen: Im Mittelalter galten die Schwalben als Licht- und Hoffnungsvögel, die rund um den katholischen Gedenktag Mariä Verkündigung am 25. März auftauchten und quasi den Frühling mitbrachten. Weil sie sich meist um Mariä Geburt wieder auf den Weg nach Afrika machten, wurden sie auch Muttergottesvogel genannt.

Schwalben, die bis zu 20 Meter pro Sekunde fliegen, kommen in vielen Liedern, Gedichten und Sprichwörtern - Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer - vor. Mopeds und Motorräder sind nach ihnen benannt. Fußballspieler, die sich besonders theatralisch fallen lassen, werden einer „Schwalbe“ bezichtigt - weil die Vögel ebenfalls elegant in Bodennähe segeln.

Doch die Gemeinschaft zwischen Schwalbe und Mensch ist mancherorts derzeit in Auflösung begriffen. Mehl-, Rauch- und Uferschwalben werden als gefährdet eingestuft. Die Naturschutzverbände haben die Mehlschwalbe schon 1974 zum „Vogel des Jahres“ erklärt, fünf Jahre später folgte die Rauchschwalbe und 1983 die Uferschwalbe.

Laut NABU gibt es derzeit in Deutschland jeweils rund 700.000 Brutpaare bei den Rauchschwalben und Mehlschwalben - nur noch halb so viele wie vor 30 Jahren. Die Mehlschwalbe ist gefährdet, die Rauchschwalbe steht auf der Vorwarnliste der Roten Liste.

Die Gründe: ein geringer werdendes Nahrungsangebot durch abnehmende Insektenzahlen und Trockenheit im Winterquartier durch die Klimakrise. Außerdem gibt es hierzulande immer weniger Nistmöglichkeiten. „Grund dafür ist die Zerstörung und Entfernung von Schwalbennestern, weil diesen in einer auf Sauberkeit und Sterilität tendierenden Gesellschaft keine Daseinsberechtigung mehr eingeräumt wird“, klagt der NABU. Es fehle an Ställen oder Hallen, in denen die Flugakrobaten nisten könnten. Moderne Reithallen und Stallungen seien oft so hermetisch abgedichtet, dass eine Schwalbe keinerlei Unterschlupf findet.

Auch an Privathäusern gibt es kaum noch brütende Schwalben: Vielerorts würden Nester wegen Dreck und Kot einfach abgeschlagen. „Viele Menschen wissen gar nicht, dass dies streng verboten ist“, so der NABU. „Wer dies trotzdem tut, kann mit einem Bußgeld von bis zu 50.000 Euro rechnen.“

Auch trockene Sommer, in denen nicht genügend feuchtes Baumaterial zur Verfügung steht, bedeuten ein hohes Risiko - insbesondere für die Brut. Denn wenn die Nester nicht ausreichend befestigt werden können, drohen sie bei zunehmender Größe der Küken abzufallen.

Um positive Zeichen zu setzen, hat der NABU die Aktion „Schwalben willkommen“ ins Leben gerufen. Hausbesitzer, die Schwalben Lebens- und Brutraum gewähren, können mit der Plakette „Schwalbenfreundliches Haus“ auf sich aufmerksam machen. Immer mehr Menschen engagieren sich nach Angaben der Naturschützer auf diese Weise – 2021 waren es fast 2.000.

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(boot/kna)
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