Eliteschule im Odenwald Schüler als "sexuelle Dienstleister" missbraucht

Frankfurt/Main (RPO). Im Mittelpunkt eines Missbrauchskandals steht jetzt auch eine renommierte Privatschule für Reformpädagogik in Hessen: Dort waren zwar bereits vor zehn Jahren Vorwürfe von zwei früheren Schülern gegen den damaligen Schulleiter bekanntgeworden. Jetzt jedoch räumt die Odenwaldschule in Ober-Hambach ein, dass Berichte über 20 Opfer vorliegen und mindestens drei Lehrer beschuldigt werden.

Eliteschule im Odenwald: Schüler als "sexuelle Dienstleister" missbraucht
Foto: ddp, ddp

Exschüler berichteten der "Frankfurter Rundschau", dass es 50 bis 100 Opfer gegeben habe. Die Schule veröffentlichte im Internet eine Erklärung: "Durch Aussagen mutiger ehemaliger Schüler unserer Schule müssen wir heute erkennen, dass weitere Kinder und Jugendliche in den Jahren von 1970 bis 1985 Opfer sexueller Übergriffe nicht nur durch den damaligen Leiter der Odenwaldschule geworden sind."

Schüler als "sexuelle Dienstleister"

Die Odenwaldschule spricht den Opfern ihre Solidarität aus, entschuldigt sich als Institution für das Unrecht und verspricht eine Aufarbeitung des Geschehens. Die Schulleiterin Margarita Kaufmann räumt in der "Frankfurter Rundschau" ein: "Es war eine Unterlassung und ein grober Fehler, dass die Schule damals nicht nachgeforscht hat."

Ehemalige Schüler berichteten der Zeitung davon, dass sie als "sexuelle Dienstleister" für ganze Wochenenden eingeteilt und zu Oralverkehr gezwungen wurden. Einzelne Pädagogen hätten ihren Gästen Schüler zum sexuellen Missbrauch überlassen.

Die Einrichtung war 1963 zur UNESCO-Modellschule für Reformpädagogik ernannt worden. Zu den ehemaligen Schülern gehören namhafte Persönlichkeiten wie der Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit oder ein Sohn des früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker.

31 Fälle an Jesuitenkolleg

Beim Missbrauchskandal am Bad Godesberger Jesuiten-Gymnasium Aloisiuskolleg haben sich nach Informationen der "Kölnischen Rundschau" 30 ehemalige Schüler sowie ein Schüler von heute gemeldet. Diese haben in den vergangenen vier Wochen Vorwürfe im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch vorgebracht, wie die Tageszeitung unter Berufung auf eine Arbeitsgruppe des Kollegs berichtet. Der Sprecher des Jesuitenkollegs, Robert Wittbrodt, erklärte, teilweise handele es sich um "heftige Berichte" bis hin zu sexuellen Handlungen.

Gegen sechs Patres würden Vorwürfe erhoben, von denen fünf inzwischen verstorben seien. Die heftigsten Anschuldigungen beträfen strafrechtlich verjährte Vorfälle in den 50er und 60er Jahren. Allerdings ermittelt die Staatsanwaltschaft dem Bericht zufolge in einem Fall aus dem Jahr 2005 noch gegen den 82-Jährigen Pater, der angeblich demenzkrank ist.

Ausmaß bei Domspatzen offenbar größer als bekannt

Auch der Missbrauchskandal bei den Regensburger Domspatzen hat größere Ausmaße als bisher bekannt. "Der Spiegel" berichtete am Samstag, Therapeuten im Münchner Raum behandelten mehrere ehemalige Domspatzen, die durch sexuelle und andere körperliche Misshandlungen traumatisiert wurden. Der Komponist Franz Wittenbrink, der bis 1967 im Internat der Domspatzen lebte, spricht im Nachrichtenmagazin von einem "ausgeklügelten System sadistischer Strafen verbunden mit sexueller Lust", das dort bestanden habe.

Die bayerische Justizministerin Beate Merk (CSU) forderte die Kirche zur konsequenten Zusammenarbeit mit der Justiz auf. "Es gibt Fälle, in denen es nicht so läuft, wie es laufen sollte", sagte die CSU-Politkerin der "Süddeutschen Zeitung". Es sei für sie unabdingbar, dass die Kirche sofort die Staatsanwaltschaft einschalte, wenn sie Hinweise auf Missbrauch erhalte.

Ähnlich hatte sich Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) geäußert. Sie befürwortet die Einrichtung eines Runden Tisches zur Aufarbeitung der Missbrauchsfälle, wie sie in der "Welt am Sonntag" bekräftigte.

(DDP/felt)
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