Organisierte Kriminalität Schattenmacht Mafia

München (RP). Donna Leons deutsch-venezianische Informantin Petra Reski und Spezialisten von Staatsanwaltschaft und Justiz diskutierten in der Katholischen Akademie Bayern über das Organisierte Verbrechen.

Die italienischen Mafia-Gruppen im Überblick
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Foto: dpa, fg_cu jhe

Donna Leons legendärer Commissario Brunetti wird vielleicht bald eine weitere Gehilfin im Kampf gegen das Verbrechen an seiner Seite haben: die deutsche Journalistin Petra Reski, ein Kind des Ruhrgebiets, das in Venedig lebt und getrieben ist von der Leidenschaft, ins Schattenreich der organisierten Kriminalität zu leuchten. "Alles was ich über die Mafia weiß, weiß ich von Petra Reski", soll Donna Leon über die Deutsche gesagt haben, die als Zwanzigjährige nach Corleone auf Sizilien fuhr, weil sie, fasziniert vom "Paten", dessen Spuren folgen wollte.

Donna Leons Lob, gedruckt auf Reskis neuem Mafia-Buch, könnte auch ein vergiftetes Lob sein, denn: Vielleicht ahnt Reski in all ihrer überbordenden "Subjektivität" (Bayerns Generalstaatsanwalt Christoph Strötz) ja mehr als sie belegbar weiß über das Treiben der "Schattenmacht" Mafia, die über Italien hinaus wuchert, wie auch die sechs Mordtaten 2007 vor einem Duisburger Restaurant belegen.

Kritik an deutscher Justiz

Bei einer Tagung der Katholischen Akademie in Bayern erzählte Reski entgeistert von der Schwierigkeit, Verdachtsberichterstattung unbeanstandet von der deutschen Justiz in den Handel bringen zu können. Sie beklagte sich darüber, dass Oberlandesgerichte darauf bestehen, dass derjenige, der Verdachtsberichterstattung betreibt, die Beweislast trägt.

Die Tagung zeigte zweierlei: dass Recherche-Emsigkeit ein Weg sein kann, der Mafia das Leben ein bisschen ungemütlicher zu machen; dass es jedoch ergiebiger ist, mit polizeilicher Gründlichkeit, langem Atem und verdeckten Ermittlungen das Organisierte Verbrechen zu bekämpfen.

So berichtete Staatsanwalt Gunther Schatz aus Kempten, wie es ihm und seinen Anti-Mafia-Spezialisten in der vermeintlichen Idylle des Allgäu gelungen ist, mafiös organisierte Waffenschiebereien und Heroin-Handel erfolgreich aufzudecken. So gab es vor einigen Jahren im Raum Kempten 35 Festnahmen. Es folgten Ermittlungen, Anklagen und schließlich Freiheitsstrafen, die sich auf 120 Jahre Haft summierten. Das parallele Vorgehen der Kemptener Justiz gegen mafiöse Erpressungsdelikte im großen Stil führte zu einem dauerhaften Rückzug der Kriminellen aus der Region.

"Ndrangheta" in der Rhein-Ruhr-Gegend

Immer wieder stellten die Allgäuer Spezialisten Verbindungen der kalabresischen "Ndrangheta" in die Rhein-Ruhr-Gegend, besonders nach Duisburg und Mülheim fest. Um schmutziges Geld zu "waschen", betrieben "Ndrangheta"-Clans, beispielsweise solche aus dem seit den Duisburger Morden berüchtigten Bergdorf San Luca, in NRW, zunehmend auch in Thüringen und Sachsen, Immobiliengeschäfte.

Staatsanwalt Schatz, der Chef des Bayerischen Landeskriminalamtes, Peter Dathe, und die Münchner Justizministerin Beate Merk (CSU) kritisierten Versuche, verdeckte Polizeimethoden, vor allem gezieltes Belauschen und Ausspähen von konkret Verdächtigen in deren vier Wänden, als freiheitgefährdende Schnüffelei zu diskreditieren.

Dathe: "Ich wehre mich dagegen, dass Anti-Mafia-Spezialisten, die versuchen müssen, auch technisch beim Kampf gegen das Organisierte Verbrechen am Ball zu bleiben, als Geheimpolizei verunglimpft werden. Der Rechtsstaat ist nur dann wehrhaft, wenn er der Polizei auch bissige Befugnisse gegen die kriminellen Schattenmächte einräumt, die die Freiheitsrechte der Rechtstreuen verkürzen."

Was darf die Polizei?

Merk verwies auf den Bundesgerichtshof, der heimliche Online-Durchsuchungen zu Beweiszwecken für unzulässig erklärt habe. Wer verdeckt, konspirativ, unter hohem technischem Aufwand arbeitende Kriminelle effektiv bekämpfen wolle, müsse Justiz und Polizei auch auf Festplatten und Servern suchen lassen. Wenn man Verdächtige nicht alarmieren und so Ermittlungen von Anfang an erschweren wolle, böte sich die heimliche PC-Durchsuchung an.

Der Gesetzgeber müsse dringend die Strafprozessordnung ändern, damit heimlich erworbene Kenntnisse über Verbrechenspläne auch im Prozess verwertet werden könnten: "Es kann doch niemand wollen, dass ein Auftragskiller, der durch präventive Online-Durchsuchung an seiner Bluttat gehindert wurde, im anschließenden Strafprozess womöglich freigesprochen werden muss."

Vermögen der Kriminellen beschlagnahmen

Münchens Generalstaatsanwalt Christoph Strötz empfahl, Deutschland möge sich bei der Vermögensabschöpfung zu Lasten der Organisierten Kriminalität am italienischen Modell orientieren. Danach ist es möglich, bei hinreichendem Verdacht das Vermögen einschließlich der Liegenschaften von Mafia-Clans zu beschlagnahmen.

Der italienische Staat stelle dabei die — von den Mafia-Verdächtigen kaum widerlegbare — Vermutung auf, dass das Vermögen krimineller Organisationen auch aus Straftaten komme. Strötz: "Die mit schmutzigem Geld oder dreckigen Methoden erworbenen Villen, Wohnungen und Grundstücke gelangen so zurück in den legalen Wirtschaftskreislauf." Denn seit 13 Jahren dürfen Verbände und Gemeinden konfiszierte Mafia-Besitztümer zum Wohle der Allgemeinheit nutzen. Strötz: "In Italien wurden bereits mehrere tausend Mafia-Immobilien beschlagnahmt."

(RP)
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