Internationale Hilfe angelaufen Rotes Kreuz rechnet mit 50.000 Toten

Port-au-Prince (RPO). Das verheerende Erdbeben in Haiti hat nach Schätzung des Roten Kreuzes 45.000 bis 50.000 Menschen das Leben gekostet. Die Zahl beruhe auf Informationen eines großen Netzwerks von Freiwilligen in der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince, sagte die Organisation am Donnerstagabend in ihrer ersten Einschätzung zur Opferzahl.

Haiti: Verzweiflung und Wut
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Das tatsächliche Ausmaß der Katastrophe war auch zwei Tage nach dem fürchterlichen Erdstoß noch nicht auszumachen. In der verwüsteten Hauptstadt Port-au-Prince herrschte weiterhin Chaos: Menschen kampierten im Freien, überall lagen Leichen. Einziger Hoffnungsschimmer: Die ersten internationalen Hilfsgüter und Rettungskräfte sind eingetroffen.

Auch in Deutschland kam die Haiti-Hilfe ins Rollen: Dutzende Ärzte, Sanitäter, Techniker und Logistiker deutscher Organisationen werden in den nächsten Stunden und Tagen im Katastrophengebiet erwartet. Rund um die Hauptstadt Port-au-Prince wollen sie bei der Suche nach Vermissten und der Versorgung der Überlebenden helfen. Zugleich müssen die Hilfslieferungen verteilt werden.

Bereits in Haiti angekommen sind Helfer und Güter aus den USA, China, Großbritannien, Frankreich, Kuba und Island. Allerdings stellte sich schnell heraus, dass die benötigte Ausrüstung zum Entladen der Güter nicht vorhanden war.

Weiteres Manko: Im Luftraum über Haiti wird es eng. Die US-Flugbehörde FAA versagte am Donnerstag amerikanischen Maschinen mit Ziel Haiti die Starterlaubnis. Die haitianische Regierung lasse keine Flugzeuge mehr in den Luftraum, erklärten amerikanische Regierungsbeamte zur Begründung. Zum Zeitpunkt dieser Entscheidung hätten elf Flugzeuge über dem Flughafen von Port-au-Prince gekreist. Auf dem Boden gebe es keinen Platz mehr für gelandete Maschinen, hieß es.

"Die Menschen haben Durst und werden sterben"

Nach Einschätzung des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) brauchen drei Millionen Menschen dringend Hilfe. "Es gibt kein Wasser. Es gibt nichts", sagte der Arzthelfer Jimitre Coquillon, der auf dem Parkplatz eines Hotels Verletzte versorgte. "Die Menschen haben Durst und werden sterben." Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen behandelten Überlebende in zwei Krankenhäusern, die bei dem Beben nicht zerstört wurden. Außerdem wurden in Zelten zwei behelfsmäßige Kliniken eingerichtet.

Die USA schicken 2.000 Marineinfanteristen, zivile Helfer, Schiffe, Transportflugzeuge und Hubschrauber in den Karibikstaat. US-Präsident Barack Obama kündigte ein Hilfspaket von 100 Millionen Dollar für die Erdbeben-Opfer an. Die US-Regierung habe "eine der größten Hilfsaktionen unserer jüngeren Geschichte" auf den Weg gebracht, sagte er. Außenministerin Hillary Clinton brach eine Auslandsreise ab, um den Hilfseinsatz von Washington aus zu koordinieren. "Es gibt, so befürchten wir, Zehntausende Tote", sagte Clinton.

Die rund 3.000 haitianischen Polizisten und UN-Friedenssoldaten waren inmitten von Bergungs- und Rettungseinsätzen nicht in der Lage, flächendeckend für Sicherheit zu sorgen. Ihre Fahrzeuge blieben immer wieder im Gewühl stecken. Doch die Lage in der oft chaotischen Zwei-Millionen-Stadt war am Donnerstag verblüffend ruhig. Es waren keine Schüsse zu hören. Viele Menschen schienen weiter wie betäubt.

Viele Hauptstadtbewohner machten sich zu Fuß auf den Weg in ländliche Regionen, wo Hütten aus Holz und Stein weitgehend intakt geblieben sind. Überlebende funktionierten Trucks in Krankenwagen um, aus Türen bauten sie Tragen.

Haitianische Regierungskreise rechneten mit bis zu 100.000 Toten. Ein Senator, Youri Latortue, ging sogar von bis zu einer halben Million Toten aus, räumte aber ein, dass noch niemand die genaue Zahl wissen könne.

(AP/csi)
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