Orden wider den tierischen Ernst Ritter Jürgen punktet mit aufgewärmten Frikadellen

Aachen (RP). Im Narrenkäfig des Aachener Karnevalsvereins begeistert Jürgen Rüttgers als 60. Ritter des Ordens wider den tierischen Ernst mit einer pointenreichen, aber unpolitischen Rede. Die Show war besser denn je dank Profis wie Eckhard von Hirschhausen und Desiree Nick.

Fünf Witze aus Rüttgers' Ritterrede
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Foto: AP

Die Metzger-Innung wird sich freuen: Soviel Reklame wurde schon lange nicht mehr für ein deutsches Fleischgericht gemacht. Und das aus berufenem Munde. Nicht mit ollen Kamellen, sondern mit aufgewärmten Frikadellen punktete Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident am Samstagabend im Käfig des traditionellen Aachener Karnevalvereins (AKV).

Und manch einer, der im Vorfeld skeptisch war über die Wahl des 60. Preisträgers für den Orden wider den tierischen Ernst, wurde eines Besseren belehrt: Ritter Jürgen hat Humor bewiesen und sich elegant aus der Affäre gezogen, dass ihm bloß niemand unlautere Wahlkampfabsichten nachsagen werde angesichts der bevorstehenden nordrhein-westfälischen Landtagswahlen im Mai. Selten so gelacht!

Wohlweislich klammerte der 58-jährige Christdemokrat die große Politik aus, erzählte stattdessen pointenreich aus dem Nähkästchen. Seine launige Rede beleuchtete einen Tag im Leben des Landesvaters, was im Karneval "Amtsausübung unter verschärften Bedingungen” bedeute. Rüttgers‘ 17-Stunden-Marathon beginnt um 6.30 Uhr mit Bekämpfung des Katers vom Vortag und endet nach acht Herrenfrühstücken und Damensitzungen zwischen Warendorf und Eschweiler mit einem Faux Pas.

Gegen 23 Uhr hat der Ministerpräsident doch sehr sehr viele Frikadellen zu sich genommen, er hat Alaaf und Helau gerufen, Alt, Kölsch oder originellerweise auch Rüttgers Club kredenzt bekommen. Ja, und deshalb sinkt er leicht desorientiert in die Dienstlimousine der ebenfalls anwesenden SPD-Landesvorsitzenden, aus der er achtkantig wieder rausfliegt. Als er noch "Zu dir oder zu mir?” lallt, benötigt er eine weitere halbe Stunde, um den schmollenden FDP-Landesvorsitzenden wieder zu beruhigen.

Politischer Karneval ist die Spezialität der Aachener, die in 60 Jahren sehr oft schon prominentes Schwergewicht in ihren Narrenkäfig beorderten: Konrad Adenauer, Bruno Kreisky und Paul Mikat, Helmut Schmidt, Walter Scheel und Hans-Dietrich Genscher. Für Humor und Menschlichkeit im Amt wurden sie alle geehrt, denn gegen Griesgram und Mickertum spricht sich der traditionsreiche Verein aus, der in der breiten Bürgerschaft verwurzelt ist. Erster Preisträger im Nachkriegsjahr 1950 war ein britischer Militärstaatsanwalt, der einen Sträfling vorzeitig aus der Haft entlassen hatte, damit der Kriegsspätheimkehrer Karneval feiern konnte.

Längst ist die Sitzung in Aachen ein wichtiger Fernsehprogrammpunkt geworden. Weil zuletzt die Quoten nicht mehr stimmten, hat man umgeswitcht. Lokalkolorit gibt es nun ­ außer dem ungelenken Moderator Heinz Wollgarten ­ nur noch in homöopathischen Dosen. "Die vier Amigos” singen auf Oecher Platt, Jürgen Beckers erteilte politische Lektionen. Verstärkt setzt man auf Stars wie den brillanten Eckhard von Hirschhausen, den man sich in Aachen als Moderator wünschte, oder die herrlich frotzelnde Desiree Nick im Gewand der Nofretete.

Sehen und gesehen werden galt in der tiefverschneiten Kaiserstadt. Viele ehemalige Ordensritter waren vertreten: Außenminister Guido Westerwelle, Renate Schmidt (mit einer kleineren Bühneneinlage), Wendelin Wiedeking, Friedrich Merz, John Kornblum, Thomas Bohrer, Hans-Dietrich Genscher, Constantin Freiherr von Heeremann und Air-Berlin-Chef Joachim Hunold, der im VIP-Bereich eine rot-weiße Lounge eingerichtet hatte, wo es sich Ex-Bahnchef Hartmut Mehdorn als Gast gut gingen ließ. Vorjahresritter Mario Adorf blieb mit seiner Laudatio auf Jürgen Rüttgers so blass wie in seiner eigenen Ritterrede, 2009.

Riesenspaß hatte Angelika Rüttgers bis in die tiefe Nacht. Kurz vor zwei stand sie für Reibeküchlein an und verriet, dass sie die Frikadellenrede ihres Mannes, die er schon einmal in Köln gehalten habe, erst nach einigen Einwänden freigegeben hat. So machten sie eben alles zusammen, und bis zum Schluss sei sie genauso nervös wie er gewesen.

(RP)
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