Lange Haftstrafen im "Sauerland"-Prozess Richter: Todesengel ohne Skrupel

Düsseldorf (RPO). Sie wollten sich zu Todesengeln erheben und ohne Skrupel Hunderte Menschen töten. So begründeten die Richter am Donnerstag das Urteil gegen die Angeklagten im Sauerland-Prozess. Vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf erhielten die Islamisten lange Haftstrafen von bis zu zwölf Jahren.

Der Weg der Sauerland-Terroristen
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Verurteilt wurden drei der vier Islamisten wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung. Zwölf Jahre müssen die deutschen Konvertiten Daniel Schneider und Fritz Gelowicz ins Gefängnis, der türkische Staatsbürger Adem Yilmaz erhielt eine Haftstrafe von elf Jahren. Der Deutsch-Türke Atilla Selek wurde als Unterstützer einer terroristischen Vereinigung zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt.

Verabredung zum Mord

Das Gericht befand Gelowicz und Yilmaz zudem der Verabredung zu Mord und der Vorbereitung von Sprengstoffanschlägen für schuldig. Schneider wurde zusätzlich wegen versuchten Mordes verurteilt.

Richter Breidling begründete das Strafmaß für Schneider damit, dass dieser sich der Festnahme widersetzt und dabei die Tötung eines Polizisten in Kauf genommen habe. Der 30-jährige Gelowicz war nach Überzeugung des Gerichts der Motor der Terrorzelle. Er habe spätestens Ende Dezember 2006 mit der Vorbereitung der Anschlagsvorhaben begonnen. Die anderen drei seien spätestens drei Monate später dazugestoßen.

Gelowicz beschaffte insgesamt zwölf 65-Kilogramm-Fässer mit 35-prozentiger Wasserstoffperoxid-Lösung, aus der er Bomben herstellen wollte. Die fertigen Sprengsätze hätten nach Angaben des Gerichts eine Sprengkraft von etwa 410 Kilogramm TNT gehabt. Doch gelang es den Sicherheitsbehörden frühzeitig, die gefährliche Chemikalie gegen eine ungefährliche Flüssigkeit auszutauschen.

Gericht: Religiöse Verblendung

Nach Ansicht der Richter wollten die vier Islamisten aus religiöser Verblendung in der Bundesrepublik ein Blutbad anrichten. Die Angeklagten hatten vor Gericht zugegeben, im Auftrag der Islamischen Dschihad Union in Deutschland Autobomben-Anschläge auf US-Soldaten in Discos, Kasernen und Flughäfen geplant zu haben. Sie wollten damit unter anderem den damals anstehenden Bundestagsbeschluss über die Verlängerung des Bundeswehr-Einsatzes in Afghanistan beeinflussen. Abgesehen von Yilmaz hatten sich alle Angeklagten in ihrem Schlusswort vor Gericht vom Terrorismus losgesagt und ihre Anschlagspläne bedauert.

"Einen Anschlag von einem solchen Ausmaß hat es in Deutschland noch nie gegeben und auch nicht die Verabredung zu einem solchen Anschlag", betonte der Vorsitzende Richter Ottmar Breidling in seiner Urteilsbegründung. In den Köpfen der Angeklagten habe die Vorstellung von einem "zweiten 11. September" herumgespukt.

Das Verfahren habe mit erschreckender Deutlichkeit gezeigt, "zu welchen Taten hasserfüllte, verblendete und von verqueren Dschihad-Ideen verführte junge Menschen bereit und in der Lage sind", betonte der Vorsitzende Richter. Dabei hätten den verblendeten Extremisten lückenhafteste Kenntnisse des Islams gereicht, um sich zu Todesengeln zu erheben und ohne Skrupel, ja mit höchster Begeisterung Hunderte Menschen im Namen ihrer Religion als Ungläubige und als Feinde des Islam zu töten.

Breitling bezeichnete den weltweiten islamistischen Terrorismus als "Geißel unserer Zeit": Es gebe offenbar auch im Westen zahlreiche verführbare oder schon verblendete junge Männer, die bereit seien, "ihr eigenes Leben für ihre wirren Dschihad-Ideen zu opfern".

Lob an Ermittler

Die Kammer blieb mit seinem Urteil hinter den Forderungen der Bundesanwaltschaft zurück. Sie hatte zwischen 13 und fünfeinhalb Jahre Haft für die Angeklagten gefordert. Die Islamisten hätten einen "einmaligen Massenmord" geplant und rund 150 US-Soldaten und Zivilsten in den Tod reißen wollen, hatte die Anklage ihnen vorgeworfen.

Breitling lobte die Arbeit der Ermittlungsbeamten, aber auch die umfangreichen Geständnisse der Angeklagten während des Verfahrens, die allein 1700 Seiten umfassen. Dies habe den Behörden einen außergewöhnlich breiten und tiefen Einblick in die Abläufe und Zusammenhänge des islamistischen Terrorismus gegeben. Außerdem sei es dadurch möglich gewesen, die Verfahrensdauer deutlich zu verkürzen.

Fritz Gelowicz, Daniel Schneider und Adem Yilmaz waren nach monatelanger Observierung am 4. September 2007 von Elitepolizisten der GSG 9 in einem Ferienhaus im sauerländischen Medebach-Oberschledorn festgenommen worden. Atilla Selek wurde wenig später in der Türkei verhaftet.

(AFP/RTR/ddp/AP/das)
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