Rheingold-Studie zu Alltagslast der Frau Ein Drittel der Mütter empfindet Partner als weiteres Kind

Bonn · Job, Haushalt und Kinderbetreuung ist für viele Frauen eine „mentale Last“. Der Partner ist dabei keine große Hilfe. „Die Verantwortung für den gesamten Laden hat die Frau“, sagt Helen Heinemann, die Frauen-Seminare zur Burnout-Prävention leitet.

 Oftmals helfen Männer im Haushalt gar nicht mit oder verstehen sich als Hilfskraft.

Oftmals helfen Männer im Haushalt gar nicht mit oder verstehen sich als Hilfskraft.

Foto: dpa/Matthias Hiekel

Wenn Laura morgens aufsteht, hat sie schon eine ellenlange To-Do-Liste im Kopf: Eines ihrer Kinder braucht ein neues Schulheft, ein Logopädie-Termin muss vereinbart und Pakete müssen zur Post gebracht werden. „Wenn ich nicht neun Bälle gleichzeitig in der Luft halte, die stellvertretend stehen für Job, Kinder, Kinderbetreuung, Schule, Haushalt, Termine, Freizeit, Gesundheit und Geschenke, sich stattdessen keiner kümmert, dann habe ich hier den Salat“, klagt die dreifache Mutter und Bloggerin.

Jule geht es ähnlich. Noch im Büro grübelt sie, was abends auf den Tisch kommt. Ihr Mann ist da keine Hilfe. „Sag du“, lautet seine Antwort auf die Frage: „Was sollen wir heute kochen?“ Laura und Jule sind zwei von vielen Frauen, die sich derzeit im Internet an der Diskussion über die nach wie vor ungerechte Aufteilung der Hausarbeit zwischen den Geschlechtern beteiligen. Neu entzündet hat sich diese eigentlich alte Debatte seit einiger Zeit an dem Begriff „Mental Load“ und einem Comic der Illustratorin Emma.

Darin bringt die Französin auf den Punkt, was viele Mütter tagtäglich stresst, ohne dass sie dafür Anerkennung erhalten: Sie tragen die „Mental Load“, also die „mentale Last“, den Familienalltag organisieren zu müssen. „Es ist eine permanente und anstrengende Arbeit. Und sie ist unsichtbar“, schreibt Emma. „Warum hast du mich denn nicht gefragt?“, lautet im Comic die unschuldige Frage der Männer, wenn Frau gestresst reagiert, weil sich vor ihr der Abwasch türmt oder sie einsam gegen Berge schmutziger Wäsche ankämpft.

Viele Frauen kennen die Situation, dass Männer sich im Haushalt entweder gar nicht zuständig oder lediglich als Hilfskraft fühlen. „Die Verantwortung für den gesamten Laden hat die Frau. Wenn der Mann nett ist, hilft er“, beobachtet die Hamburgerin Helen Heinemann, die Frauen-Seminare zur Burnout-Prävention leitet. „Ich erlebe in den Seminaren deutlich, dass sich Frauen an der Doppelbelastung erschöpfen.“

Nach wie vor übernehmen Frauen einen Großteil der Hausarbeit. Selbst wenn beide Partner Vollzeit berufstätig sind, wenden Frauen an einem Werktag durchschnittlich rund drei Stunden mehr Zeit für Haushalt und Kinder auf als Männer, wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) herausfand.

„Projektleiter Haushalt“ nennt Emma die Frau in ihrem Comic und zieht eine Parallele zur Arbeitswelt. Auch in modernen Partnerschaften sähen Männer diesen Einsatz nicht und hätten von sich meist den Eindruck, sie beteiligten sich doch fair an Haushalt und Kinderbetreuung. Doch sie übernähmen nicht wirklich Verantwortung.

Gar nicht so selten ist es offenbar auch, dass die Väter überhaupt keine Unterstützung sind. Laut einer Studie des Rheingold-Instituts fühlt sich ein Drittel der Mütter trotz Partner alleinerziehend oder betrachtet ihn gar als weiteres Kind.

„Das, was zu kurz kommt, sind die Frauen selbst“, beobachtet Heinemann. Kein Wunder, dass Mütter zunehmend unter Burnout-Symptomen leiden. „Diagnosen wie Erschöpfungszustände, Schlafstörungen, depressive Verstimmungen oder Essstörungen haben sich in den letzten 15 Jahren bei den Frauen, die zu uns kommen, verdoppelt“, sagt Anne Schilling vom Müttergenesungswerk (Berlin). Unter diesen Symptomen leiden inzwischen 98 Prozent der Mütter, die an Kuren des Müttergenesungswerks teilnehmen.

Verantwortlich dafür sei auch der gesellschaftliche Druck, sagt Schilling. „Einerseits sind junge Frauen heute sehr gut ausgebildet und gleichberechtigt. Andererseits wird aber immer noch ein traditionelles Mutterbild an sie herangetragen.“ Rund 70 Prozent der Mütter mit Kindern sind laut statistischem Bundesamt berufstätig. Dennoch werde die Mutter meist immer noch als Hauptverantwortliche für die Erziehung der Kinder gesehen, beobachtet Schilling.

Selbst in Familien, in denen die Mutter Haupternährerin ist, funktioniere der Rollentausch meist nicht richtig, stellte die Soziologin Cornelia Koppetsch von der Technischen Universität Darmstadt in einer Studie fest. „Wenn ein Kind in der Schule krank wird, werden zum Beispiel meist immer noch die Mütter angerufen.“

„Der Weg aus der Organisations-Falle“, sagt Heinemann, „beginnt damit, dass sich die Frau überlegt, welche Aufgaben sie gerne abgeben würde und dies mit ihrem Partner bis ins Detail bespricht.“ Das könne zunächst einmal mühsam sein.

„Wichtig ist es, konsequent zu bleiben, auch wenn das nicht gleich klappt“, rät Heinemann. „Es ist wichtig, dass Frauen auch mal loslassen.“ Habe es der Vater zum Beispiel übernommen, regelmäßig den Schulranzen des Kindes zu kontrollieren, dann sollte sich die Mutter da auch nicht mehr einmischen. „Die Welt geht nicht unter, wenn das Kind eine Zeit lang mit einem rumpeligen Schulranzen herumläuft.“

(epd/jms)
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