Kassenpatienten abkassiert? Prozess gegen Essener Chefarzt beginnt Montag

Essen (RPO). Er soll Kassenpatienten abkassiert haben. Deswegen muss sich der suspendierte Chefarzt des Universitätsklinikums Essen vor Gericht verantworten. Am Montag beginnt der Prozess gegen Christoph B.

Er gilt als Entwickler einer wegweisenden Form der Lebendlebertransplantation und weltweit anerkannte Koryphäe in diesem Bereich. Die Staatsanwaltschaft Essen wirft dem 65-jährigen Mediziner Bestechlichkeit, Betrug in einem besonders schweren Fall und Steuerhinterziehung vor.

Der Vorwurf des Organhandels wird bei dem Prozess nicht erhoben. "In diesem Bereich dauern die Ermittlungen noch an", sagt der Sprecher der Staatsanwaltschaft Essen, Wilhelm Kassenböhmer. Das Urteil könnte noch vor Weihnachten verkündet werden.

Der Essener Mediziner soll laut Staatsanwaltschaft unter anderem von Patienten zusätzlich zu dem von den gesetzlichen Krankenkassen übernommenen Betrag die Zahlung einer Spende auf ein Drittmittelkonto der von ihm geleiteten Klinik gefordert haben, wenn sie von ihm behandelt wurden. Die Patienten oder deren Familienangehörige zahlten demnach jeweils Spenden in Höhe von 1000 bis 22 000 Euro, die meisten Zahlungen betrugen 4000 bis 7500 Euro.

Darüber hinaus soll der Mediziner zwischen 2002 und 2004 unter anderem diese Zahlungen nicht versteuert haben. Erhebliche Einkünfte aus den Jahren 2005 und 2006 seien erst verspätet deklariert beziehungsweise nach Eröffnung des Steuerstrafverfahrens bekanntgegeben worden.

In 22 Fällen hatte das Universitätsklinikum den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zufolge zudem mit Privatpatienten sogenannte Wahlleistungsvereinbarungen abgeschlossen. Darin wurde vereinbart, dass B. selbst oder ein Vertreter die Behandlungen durchführen würden. Obwohl dies unterblieben sei, habe der Mediziner die Behandlungen abgerechnet.

B. war im Oktober 2007 vom Dienst suspendiert worden. Als Reaktion auf die Vorwürfe hatte er mitgeteilt, dass er niemals Patienten zu einer Spende gedrängt oder in Aussicht gestellt habe, dass dadurch Behandlungen beschleunigt würden. In Einzelfällen hätten jedoch Kassenpatienten eine Behandlung durch ihn gewünscht. Dies sei nur durch Zahlungen der Patienten möglich gewesen, da es sich um Zusatzleistungen handelte, die von den gesetzlichen Krankenkassen nicht übernommen würden. Zudem habe er auf ein Honorar verzichtet und stattdessen um eine Spende auf das Forschungskonto der Klinik gebeten.

Zur Unterstützung des Leibarztes des früheren Bundespräsidenten Johannes Rau fanden sich ehemalige Patienten zusammen. Ihr Sprecher ist der Münsteraner Musiker Ulrich Coppel, der unter anderem über seine Internetseite (ulrich-coppel.de) die Vorwürfe gegen den Mediziner zu entkräften sucht. Coppel geht davon aus, dass es sich bei den Ermittlungen und der Anklage gegen B. um eine Intrige handelt. Dies zeige sich schon daran, dass das Gericht wesentliche Vorwürfe gegen B. nicht zur Verhandlung zugelassen habe.

Zudem sieht Coppel die Versorgung der Patienten nach dem Abgang des Chefs des Essener Transplantationszentrums akut gefährdet. Das Team des Zentrums der Universitätsklinik sei auseinandergebrochen, wichtige Experten aus Essen weggezogen. "Davon sind rund 200 Spender von Lebendlebertransplantationen betroffen", sagt er.

Der Sprecher des Universitätsklinikums Essen, Burkhard Büscher, weist die Vorwürfe zurück. "Die Qualität der medizinischen Versorgung ist nicht schlechter geworden", sagt Büscher. Allerdings sei nach dem Weggang von B. die Zahl der Lebendleberspenden gesunken. "Hier haben wir ein neues Verfahren gefunden, dass für die Empfänger ungefährlicher ist", sagt der Sprecher. Grundsätzlich sei die Zahl der Organspenden sogar höher als zu Zeiten des Chefarztes B. Auch die medizinische Versorgung der Patienten sei nicht schlechter geworden.

(DDP/jt)
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