Pro-palästinensische Demo in Berlin Demonstranten werfen Steine und Flaschen auf Polizisten

Berlin · Der militärische Konflikt in Nahost findet auch in deutschen Städten ein Echo. In Berlin fliegen bei einer pro-palästinensischen Demonstration Flaschen und Steine. Auch in Köln, Leipzig und Frankfurt gingen Menschen auf die Straßen.

 Pro-palästinensische Demonstranten in Berlin.

Pro-palästinensische Demonstranten in Berlin.

Foto: AP/Michael Sohn

Bei einer pro-palästinensischen Demonstration in Berlin mit nach Polizeiangaben rund 3500 Teilnehmern ist es am Samstag zu massiven Ausschreitungen gekommen. Aus den Reihen der Demonstranten, die sich angesichts der Gewalteskalation im Nahen Osten zu dem Protest versammelt hatten, wurden Steine und Flaschen auf die Polizei geschleudert, auch Feuerwerkskörper flogen gegen die Sicherheitskräfte. Demonstranten schlugen auf Polizisten ein. Die Polizei setzte Pfefferspray ein. Ob Demonstrationsteilnehmer festgenommen wurde, konnte ein Polizeisprecher zunächst nicht bestätigen.

Die Polizei hatte den Protest wegen des Verstoßes gegen die Corona-Hygieneregeln für aufgelöst erklärt. Da sich Demonstrationsteilnehmer nicht an die Anordnung hielten, schritten die Beamten auf der Sonnenallee in Neukölln gegen sie ein. Aus der Demonstration wurden Rufe wie „Kindermörder Israel“, „Frauenmörder Israel“ und „Free Palestine“ laut.

Zuvor war eine andere Demonstration mit rund 120 Teilnehmern vom Hermannplatz zum Rathaus Neukölln friedlich verlaufen. Am Nachmittag sollte es eine weitere Demonstration gehen. Gefordert wurde in einem Aufruf der Kampf für „ein freies Palästina, vom Jordan bis zum Mittelmeer“, also auf dem heutigen Staatsgebiet Israels. Insgesamt waren 360 Polizisten im Einsatz.

Rund 800 Menschen haben in Köln gegen Israel und für Palästina demonstriert. Sie schwenkten palästinensische Flaggen und Schilder mit Aufschriften wie „Freiheit für Palästina“ und „Stop the Genocide“ (Stoppt den Genozid), aber auch „Gegen Zionisten - nicht gegen Juden“. Da etwa doppelt so viele Menschen gekommen waren wie angemeldet, konnten die Corona-Abstände auf dem für die Kundgebung vorgesehenen Platz in der Kölner Altstadt nicht eingehalten werden. Deshalb habe die Versammlungsleiterin die Demonstration vorzeitig beendet, sagte ein Polizeisprecher.

Zwei Teilnehmer kletterten während der Kundgebung auf ein Reiterstandbild und entrollten dort eine palästinensische Flagge. Auf Aufforderung der Polizei - die mit massiven Kräften anwesend war - kamen sie aber wieder herunter.

Die Antisemitismusbeauftragte des Landes Nordrhein-Westfalen, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), hatte vorab gemahnt, dass das Versammlungs- und Demonstrationsrecht nicht für die Verbreitung von Judenhass missbraucht werden dürfe. Sie wünsche sich, dass sich die Veranstalter der Nakba-Demo von jeglicher Form des Antisemitismus distanzierten. „Dazu gehört selbstverständlich auch, das Existenzrecht Israels nicht in Frage zu stellen oder den Staat Israel zu dämonisieren.“

Rund 2500 Teilnehmer einer israelfeindlichen Demonstration haben sich nach Polizeiangaben am Samstagnachmittag in Frankfurt am Main versammelt. Der Großteil der Teilnehmer trage Masken, aber es sei schwierig, auf dem Platz an der Hauptwache die Abstände einzuhalten, sagte ein Polizeisprecher dem Evangelischen Pressedienst. Auch rund 150 Gegendemonstranten hätten sich eingefunden. Zuvor hatte das Verwaltungsgericht Frankfurt das am Freitag von der Stadt verhängte Verbot der „Nakba“-Demonstration aufgehoben.

In der Leipziger Innenstadt waren dagegen nur mehrere hundert Menschen gegen die Gewalt im Nahen Osten auf die Straße gegangen. Nach Angaben der Polizei nahmen an einer „Pro-Palästina“-Demonstration zeitweise bis zu 400 Menschen teil. Ihnen standen den Schätzungen zufolge etwa 200 Teilnehmer einer Kundgebung „Pro Israel“ gegenüber. Anfangs sei die Stimmung kurz aufgeheizt gewesen, zwischen beiden Seiten hätten sich einige Demonstranten Wortgefechte geliefert, sagte ein Polizeisprecher. Die Situation sei aber nicht weiter eskaliert und habe sich beruhigt.

Bei einer pro-palästinensischen Kundgebung in Stuttgart ist es nach Angaben der Polizei zu tumultartigen Szenen gekommen. Verletzte habe es nicht gegeben, sagte ein Polizeisprecher. Es seien deutlich mehr Menschen als die angemeldeten 50 gekommen, zugleich habe es auch Gegendemonstranten gegeben. Dabei habe es sowohl Konflikte zwischen den verschiedenen Demonstrantengruppen also auch mit der Polizei gegeben.

Nach Auflösung einer propalästinensischen Kundgebung in Mannheim sind nach Polizeiangaben Einsatzkräfte mit Steinen beworfen worden. Vier Beamte seien leicht verletzt, sagte ein Sprecher am Samstagabend. Zudem habe ein Mann versucht, eine israelische Flagge anzuzünden. Das hätten die Polizisten unterbunden und den Mann festgenommen. Ermittelt werde auch wegen eines Banners mit mutmaßlich strafrechtlich relevantem Inhalt.

Weil die Corona-Abstandsregeln nicht eingehalten wurden, hatte die Versammlungsbehörde laut Polizei am Samstagnachmittag die Kundgebung mit bis zu 500 Menschen beendet. Im Anschluss seien noch mehrere Gruppen durch die Stadt gezogen. Weil keine Folgeveranstaltungen erlaubt waren, ermittelt die Polizei dem Sprecher zufolge gegen zwei Gruppierungen wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz und möglicherweise auch wegen Landfriedensbruchs.

Auch in Freiburg sprach die Polizei von teils aufgeheizter Stimmung bei einer ebenfalls von der Initiative „Palästina spricht“ organisierten Kundgebung mit bis zu 600 Teilnehmern. Dort wurden auch Transparente mit provozierendem - aber nicht strafrechtlich relevantem - Inhalt gezeigt. Sowohl der Versammlungsleiter als auch die Polizei hätten die Teilnehmer dazu gebracht, dies zu unterlassen, hieß es. Zuvor waren auf demselben Platz Gottesdienste der jüdischen Gemeinde abgehalten worden. Dabei beleidigte ein 17-Jähriger einen Mann jüdischen Glaubens, wie die Polizei mitteilte. Gegen den Jugendlichen wurde ein Strafverfahren eingeleitet.

Auch in anderen deutschen Städten waren am Samstag Demonstrationen geplant. Anlass des Protestes war neben der eskalierenden Gewalt auch der Tag der „Nakba“ (Katastrophe), den Palästinenser am 15. Mai begehen. Sie gedenken damit der Vertreibung und Flucht Hunderttausender Palästinenser im Zuge der israelischen Staatsgründung 1948.

In den vergangenen Tagen hatte es in mehreren deutschen Städten antisemitische und anti-israelische Demonstrationen gegeben. Es wurden Israel-Flaggen angezündet, teils antisemitische Parolen skandiert. Der Schutz jüdischer Einrichtungen in Deutschland wurde inzwischen verschärft.

Die evangelische und die katholische Kirche in Berlin und Brandenburg verurteilten unterdessen Angriffe auf jüdische Einrichtungen in Deutschland als „unerträglich“. Es sei nicht hinnehmbar, dass Synagogen und jüdische Einrichtungen bedroht, verunglimpft und angegriffen würden, erklärten der evangelische Landesbischof Christian Stäblein und der katholische Erzbischof Heiner Koch gemeinsam. In den vergangenen Tagen hatte es in mehreren Städten in Deutschland antisemitische und anti-israelische Demonstrationen gegeben.

(felt/dpa)
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