Streit um ICE-Klimaanlagenpanne Pro Bahn: 500 Euro Schmerzensgeld zu wenig

Berlin (RPO). Der Fahrgastverband Pro Bahn hat die 500 Euro Schmerzensgeld für Fahrgäste, die wegen ausgefallener Klimaanlagen der Bahn schwere Gesundheitsschäden erlitten haben, als zu gering bezeichnet. "Wer deswegen im Krankenhaus behandelt werden musste, sollte sich mit 500 Euro nicht zufrieden geben", sagte Pro-Bahn-Vorstandsreferent Joachim Kemnitz in einem Interview.

Hitzepannen: Kübel voll Hohn und Spott für die Bahn
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Foto: ddp

"Das deckt nicht einmal die Transportkosten mit dem Krankenwagen", fügte er gegenüber der "Berliner Zeitung" hinzu. Unterdessen empfahl eine Bahn-Sprecherin Kunden, die Anspruch auf das Schmerzensgeld haben, aber bereits ihre Fahrkarte gegen einen Reisegutschein umgetauscht haben, sich erneut an die Bahn zu wenden. Als Nachweis sollten die Kunden die erhaltenen Reisegutscheine vorlegen.

Der Verband der Bahnindustrie reagierte mit Empörung auf Vorwürfe der Deutschen Bahn AG, die Hersteller der ICE-Flotte würden generell schlechte Qualität liefern. Der Hauptgeschäftsführer des Verbandes, Ronald Pörner, sagte der "Berliner Zeitung": "Solche unberechtigten Vorwürfe könnten den guten Ruf einer ganzen Branche gefährden." Die Industrie-Sparte, zu der die großen Unternehmen Siemens Transportation und Bombardier gehören, sei über die Äußerungen von Bahn-Chef Rüdiger Grube "schon sehr überrascht und irritiert". Grube hatte im Zusammenhang mit dem Hitze-Chaos bei ICE-Zügen gesagt, die Bahn habe von der Industrie bislang "fast nie Züge geliefert bekommen, die auch das geleistet haben, wofür wir bezahlt haben".

Vorwürfe gegen die Industrie

Der Verband der Bahnindustrie hat Vorwürfe der Deutschen Bahn zurückgewiesen, mangelhafte Klimatechnik für ICE-Züge geliefert zu haben. "Diesen Schuh ziehen wir uns nicht an", sagte Hauptgeschäftsführer Ronald Pörner am Donnerstag im MDR. Man sei von den Äußerungen der Bahn "sehr überrascht" und "irritiert". In Berlin kam der Verkehrsausschuss des Bundestages zu einer Sondersitzung zusammen, um über die Hitze-Pannen bei der Bahn zu beraten.

Bahnchef Rüdiger Grube hatte im Zusammenhang mit den aktuellen Ausfällen der Klimaanlagen zuvor gesagt, die Industrie habe fast nie Züge geliefert, die geleistet hätten, wofür die Bahn bezahlt habe. Diese Vorwürfe seien nicht gerechtfertigt, konterte die Bahnindustrie. Die Bahn selbst habe bei den Untersuchungen der Klimaanlagen erklärt, dass kein Konstruktionsfehler der Hersteller vorliege.

Pörner betonte, die Klimaanlagen der am häufigsten betroffenen ICE-2-Züge seien nach den damals geltenden Normen auf plus 32 Grad Celsius ausgelegt worden. Die Industrie habe sie im Klimakanal sogar bis plus 42 Grad getestet. "Dem Kunden steht es natürlich immer frei, Klimaanlagen zu bestellen bei unseren Unternehmen, die mehr leisten können als die Norm fordert. Das kostet allerdings auch mehr Geld", sagte Pörtner.

Bei der Ursachenforschung sei die Industrie zudem außen vor. Die Bahn habe entschieden, die Wartung selbst zu übernehmen, Rückmeldungen an die Industrie gebe es nicht.

Abgeordnete wollen Aufklärung

An der Sitzung des Verkehrsausschusses nahmen auch Bahn-Vorstand Grube, Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer und Vertreter des Eisenbahn-Bundesamtes teil. "Wir wollen klären, was die Ursachen sind und über Lösungen sprechen. Was hat die Bahn getan und was wird sie tun, dass sowas nicht mehr vorkommt", sagte der Ausschussvorsitzende Winfried Hermann (Grüne) unmittelbar vor der Sitzung.

"Die Frage ist natürlich auch, warum ist es in den vergangenen Tagen besser geworden. Hat es eine intensivere Wartung gegeben, hat es Verbesserungen der Technik gegeben? Das muss auch gesagt werden. Es ist wichtig, dass die Bahn alles tut, dass sie ihr Image endlich mal aufpoliert", sagte Ausschussmitglied Uwe Beckmeyer (SPD). Grube und Ramsauer wollten sich vor der Sitzung nicht äußern.

Mängel schon vor Jahren

Die "Frankfurter Rundschau" berichtete derweil über Wartungsprotokolle, die belegten, dass Klimaanlagen im ICE 2 schon vor Jahren reihenweise ausfielen. Der Konzern habe die Technik dennoch nicht ausgetauscht. Die Protokolle listen nach Angaben des Blattes auch viele Mängel über gestörte Toiletten, abgeschaltete Bremsen und gestörte Bugklappen auf.

Unterlagen des Aufsichtsrats bewiesen zudem, dass der Staatskonzern zwischen 2003 und 2005 bei der Wartung der ICE-Züge, der Loks und Reisezüge massiv gespart habe. So seien ICE-Achsen statt nach 4400 Kilometern erst nach 8000 Kilometer kontrolliert worden. Die Inspektion sei zudem erst nach 144.000 Kilometern statt nach 72.000 durchgeführt worden und die Generalüberholung erst nach 1,65 Millionen statt 1,4 Millionen Kilometern.

GDL kritisiert Grubes Krisenmanagement

Die Lokführergewerkschaft GDL kritiserte das Krisenmanagement von Grube. "Die Probleme wurden viel zu spät erkannt und nur zugegeben, was nicht mehr abzustreiten war", sagte der GDL-Bundesvorsitzende Claus Weselsky der "Passauer Neuen Presse". Es sei ärgerlich, dass Grube in der Öffentlichkeit von einem "schlechten Krisenmanagement der Mitarbeiter in den Zügen" gesprochen habe. Die Beschäftigten seien "sehr verärgert" darüber. "Vom letzten Glied in der Kette wird ein perfektes Krisenmanagement verlangt, während sich die Chefetage vornehm zurückhält", sagte Weselsky.

(DDP/felt)
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