Polizeieinsatz in Berlin und Brandenburg Polizei fährt Großrazzia gegen Clankriminalität, Drogen- und Waffenhandel

Berlin · Gemessen an der Zahl der Razzien hat der Berliner Senat seine Drohungen gegen die Clanszene wahr gemacht. Immer wieder rückt die Polizei an. Diesmal soll auch ein entschlüsselter Chatdienst auf internationaler Ebene eine Rolle spielen.

 Polizisten bei der Großrazzia in Berlin und Umgebung.

Polizisten bei der Großrazzia in Berlin und Umgebung.

Foto: dpa/Christophe Gateau

Erneut hat die Polizei zu einem Schlag gegen die Clankriminalität ausgeholt. Mit einer Großrazzia und Hunderten Polizisten sowie Spezialeinsatzkommandos (SEK) gingen die Ermittler am Donnerstag in Berlin gegen kriminelle Mitglieder eines bekannten arabischstämmigen Clans und weitere Verdächtige aus der organisierten Bandenszene vor. Hintergrund sind laut Staatsanwaltschaft unter anderem die gewalttätigen Revierkämpfe zwischen Mitgliedern des Clans und „russischen Staatsangehörigen tschetschenischer Herkunft“, wie die Berliner Polizei am Donnerstagmorgen über Twitter mitteilte. Beide Gruppen waren im November 2020 mehrfach gewalttätig aufeinander losgegangen.

Außerdem ging es um organisierten Waffen- und Drogenhandel, Körperverletzungen sowie Ermittlungen des Finanzamtes zu Steuerhinterziehungen und anderen Delikten. Zwei Verdächtige wurden den Angaben zufolge verhaftet.

An den mehr als 20 Durchsuchungen unter Federführung des Berliner LKA und der Staatsanwaltschaft waren auch das Bundeskriminalamt (BKA), die Bundespolizei mit dem Spezialeinsatzkommando GSG9, die Brandenburger Polizei und die Steuerfahndung beteiligt.

Erst im Herbst und Winter wurden vier Mitglieder der Großfamilie, die auch jetzt im Zentrum der Razzia stand, wegen des Verdachts der Beteiligung an dem Juwelendiebstahl in der Dresdner Schatzkammer Grünes Gewölbe verhaftet. Ein fünfter Verdächtiger aus der Familie konnte fliehen und wurde noch nicht gefasst.

Zunächst hatte die „Bild“-Zeitung über die Razzia berichtet. Laut dem Bericht soll unter den durchsuchten Objekten der Neuköllner Kiosk sein, der Mitgliedern des Clans zugerechnet wird und im Herbst von Tschetschenen überfallen wurde, außerdem eine Lagerhalle in Neuhardenberg östlich von Berlin. Demnach sollen die Täter Drogen in Lagerhallen in Brandenburg gebracht, in Fässer umgelagert und nach Berlin transportiert haben.

Ein führender Ermittler des Berliner Landeskriminalamtes (LKA) hatte erst kürzlich über die Konflikte zwischen rivalisierenden Gruppen gesagt, neue Banden würden seit einigen Jahren auftreten und versuchen, in den kriminellen Markt einzudringen. „Besonders Tschetschenen entwickeln sich zunehmend von der Rolle des kriminellen Dienstleisters zum kriminellen Akteur.“ Auch das BKA, der Brandenburger Verfassungsschutz und Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) hatten vor künftigen blutigen Revierkämpfen gewarnt.

Am 7. November 2020 überfiel eine Gruppe Tschetschenen mit Schlagstöcken und Messern einen Spätkauf in Neukölln, der mit dem bekannten Clan in Verbindung stehen soll. Es gab mehrere Verletzte. Noch am gleichen Abend und am nächsten Tag prügelten Männer am Bahnhof Gesundbrunnen im Norden Berlins auf Männer aus der tschetschenisch-russischen Szene ein. Dann tauchten im Internet Fotos und ein Video von einem angeblichen Friedensgespräch zwischen Abgesandten der gegnerischen Banden und einem prominenten Boxer als Vermittler auf.

Clan- und andere organisierte Kriminalität ist seit längerem in Berlin und in anderen Bundesländern ein Thema. Vor zwei Jahren stellten der Berliner Senat und die Kriminalpolizei einen Fünf-Punkte-Plan gegen die Clankriminalität vor.

Die aktuellen Durchsuchungsbeschlüsse sollen nach mehreren Medienberichten auch mit der Entschlüsselung des Kurznachrichtendienst EncroChat, der vor allem von Kriminellen genutzt wurde, zusammenhängen. Der Polizei in den Niederlanden und Frankreich gelang es im vergangenen Jahr, mehr als 20 Millionen geheimer Nachrichten abzuschöpfen, wie die europäische Justizbehörde Eurojust im Juli 2020 mitteilte.

60 000 Teilnehmer hätten den aufwendig verschlüsselten Chatdienst genutzt. Die Kriminellen fühlten sich bei ihrer Kommunikation sehr sicher, weil es hieß, die Technik sei nicht zu knacken. Das Eindringen in die technische Infrastruktur des Anbieters habe dann „Schockwellen durch organisierte Verbrecherbanden quer durch Europa“ geschickt, hieß es damals von der Justiz. Es gab in verschiedenen Ländern bereits Hunderte Festnahmen, Drogen und Bargeld in Millionenhöhe wurden beschlagnahmt. Auch das deutsche BKA soll Millionen Chatnachrichten zum Auswerten erhalten haben.

(june/dpa)
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