Schüler tötete sich nach den ersten Ermittlungen Polizei sieht kein eigenes Verschulden

Berlin/Passau (RPO). Die Polizei hat schwere Anschuldigungen zurückgewiesen, sie trage Mitverantwortung für den Suizid eines an den Kölner Amokplänen beteiligten Schülers. Die Debatte über die Ermittlungsarbeit hält indes unvermindert an.

Polizei vereitelt Amoklauf an Kölner Schule
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Polizei vereitelt Amoklauf an Kölner Schule

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Die Polizeigewerkschaften wiesen Kritik an der Ermittlungsarbeit zurück. "Das Verhalten der Polizei war korrekt", sagte der Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg, der "Berliner Zeitung". "Es hat am Freitag keine Hinweise auf eine Suizidgefahr des Schülers gegeben, auch nicht nach einem Gespräch der Schulleitung mit seiner Mutter", verteidigte Freiberg das Vorgehen der Polizei.

Einer der verdächtigen Schüler hatte sich am Freitag das Leben genommen. Auch Rolf Kaßauer, Berliner Landeschef des Bundes deutscher Kriminalbeamter (BdK), konnte keine Fehler erkennen. "Natürlich stehen Ermittlungsbehörden unter starkem Druck, wenn ein Anschlag im Internet angekündigt wird. Man kann anfangs nicht wissen, ob jemand seine Pläne vielleicht schon aufgegeben hat", sagte Kaßauer.

Der Münchner Polizeipsychologe Georg Sieber kritisierte das Vorgehen der Kölner Polizei. "Die Fahnder wollten rasch einen publikumswirksamen Erfolg präsentieren", sagte Sieber der "Berliner Zeitung". "Wenn es ihnen um den Jugendlichen gegangen wäre, hätten sie anders reagiert." Sieber sieht als eine der Ursachen den hohen Erwartungsdruck. "Wenn es Präventivkampagnen gibt, wie zuletzt nach dem Schulmassaker in Finnland, kommt es auch vermehrt zu handwerklichen Fehlern", sagte der Psychologe. Im finnischen Tuusula hatte ein 18-jähriger Abiturient in seiner Schule acht Menschen getötet und später sich selbst erschossen.

Verbote gefordert

Der Vorsitzende des Bundes der Kriminalbeamten, Klaus Jansen, forderte in der "Passauer Neuen Presse" politische Maßnahmen gegen gewaltverherrlichende Videos und Computerspiele. Die Gewerkschaft für Bildung und Erziehung (GEW) regte eine Konzentration auf die Vermittlung sozialer Kompetenzen im Schulunterricht an. Jansen regte an, Gymnasien auf eine erhöhte Gefahr von Amokläufen zu untersuchen. "Bei den Fällen von Schulgewalt in Deutschland stehen meistens Gymnasien in den Schlagzeilen", sagte der Vorsitzende des Bundes der Kriminalbeamten. "Es muss untersucht werden, ob hier der Leistungsdruck und die Angst, abgehängt zu werden, besonders stark sind oder es mehr als an anderen Schulformen zu Mobbing kommt."

Jansen sieht jedoch auch positive Entwicklungen. "Die Sensibilität scheint zu wachsen. Die Schüler haben verstanden, wie wichtig es ist, Sicherheitsbehörden einzuschalten." Der Verbandschef fordert die Einrichtung einer Internetplattform, auf der Bürger Hinweise auf mögliche Gewalttaten abgeben könnten. "Die Polizei kümmert sich dann darum, dass die zuständige Dienststelle die Hinweise erhält." Er frage sich, warum Kinder und Jugendliche Zugang zu einer Soft-Air-Pistole oder einer Armbrust haben müssten. Auch seien keine gewaltverherrlichenden Videos oder Computer-Spiele erforderlich, um aus Jugendlichen Erwachsene zu machen.

Lehrer besser vorbereiten

Der GEW-Vorsitzende Ulrich Thöne sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung", Lehrer müssten stärker als bislang darauf vorbereitet werden, mit der Hilf- und Sprachlosigkeit von Schülern umzugehen. Er beklagte, dass die Zahl der Schulpsychologen und Sozialarbeiter "immer weiter abgebaut" werde. "Wir haben ein Bildungswesen, das überhaupt erst Gewinner und Verlierer produziert", kritisierte Thöne. Die Schule müsse "weg vom reinen Paukwissen".

Die Ermittlungen nach dem Selbstmord hatten die Polizei zu einem 18-jährigen Mitschüler geführt. Bei Durchsuchungen der Wohnungen beider Schüler fanden die Ermittler zwei Armbrüste, mehrere Softairwaffen und eine Liste mit den Namen von 17 Lehrern und Schülern, die womöglich dem zunächst geplanten Amoklauf zum Opfer fallen sollten. Die beiden Gymnasiasten sollen sich zudem Informationen über die Herstellung von Rohrbomben beschafft haben.

(afp)
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