Uneinigkeit in Bayern Polizei rät von zu viel Zivilcourage ab

München/Berlin (RPO). Zwischen dem bayerischen Innenministerium und der Gewerkschaft der Polizei (GdP) gibt es Uneinigkeit über den Sinn von Zivilcourage im Kampf gegen Gewalt in öffentlichen Verkehrsmitteln. Der GdP-Bundesvorsitzende rät von zu viel Zivilcourage ab.

 Viele Blumen bei der Beisetzung von Dominik Brunner.

Viele Blumen bei der Beisetzung von Dominik Brunner.

Foto: ddp, ddp

"Wir brauchen noch mehr Menschen, die — wie Dominik Brunner — Zivilcourage zeigen und so beweisen, dass ihnen die Sicherheit und das Wohlergehen ihrer Mitmenschen am Herzen liegen", lobte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) den Einsatz Brunners. Brunner hatte sich am 12. September am Münchner S-Bahnhof Solln schützend vor vier Kinder gestellt hatte und wurde dafür von zwei Jugendlichen erschlagen. "Je öfter wir alle mit der gebotenen Vorsicht bei Gewalt im Alltag hinschauen und uns dagegen wehren, desto nachhaltiger sorgen wir für mehr Sicherheit und damit auch für mehr Lebensqualität", fügte der Minister hinzu.

Der GdP-Bundesvorsitzende Konrad Freiberg hält nichts von zu viel Wagemut. "Davon rate ich dringend ab", sagte er. "Jeder, der in Berlin U-Bahn fährt, weiß, dass schon ein paar mahnende Worte gegenüber einer lärmenden Schülergruppe der Beginn einer unheilvollen Eskalation sein können." Da sei es besser, zum Handy zu greifen und den Vorfall zu melden.

Freiberg lobte auch das Vorhaben eines großen Verkehrsverbunds im Ruhrgebiet, Zugangskontrollen einzurichten. Ziel sei es, dass niemand ohne Fahrkarte auf den Bahnsteig kommt. "Auch in New York hat man gute Erfahrungen damit gemacht in der wohl richtigen Annahme, dass jemand, der randalieren oder Leute anfallen will, vorher bestimmt nicht erst brav eine Fahrkarte kauft", sagte der Gewerkschaftschef.

Zur Verbesserung der Sicherheit in öffentlichen Verkehrsmitteln setzt Herrmann auch auf eine stärkere Videoüberwachung an Bahnhöfen und in den Zügen sowie eine größere Präsenz von Sicherheitsdiensten und Polizei. Zugleich trat er im ddp-Interview in München dem Eindruck entgegen, dass die Gewalt in Bussen und Bahnen zunehme: "In Bayern sind die Gewaltdelikte im Öffentlichen Personennahverkehr im Jahr 2008 gegenüber 2007 um 3,4 Prozent auf 415 Straftaten gesunken. Der Trend für 2009 deutet auf ähnliche Zahlen hin."

Dem widersprach Freiberg. Er sieht eine stetige Zunahme der Übergriffe auf Fahrgäste und das Personal. "In Berlin wird jeden Tag ein Busfahrer malträtiert. Wenn es zu Gewalt kommt, dann wird sie immer brutaler." Und auch die Vandalismusschäden nähmen von Jahr zu Jahr zu. Die Betreiber müssten verpflichtet werden, mehr Personal einzusetzen: "Die öffentlichen Verkehrsmittel müssen von den wenigen, die sie missbrauchen, für die Millionen Bürger, die sie benutzen, zurückerobert werden. Das geht nur mit einer deutlichen Präsenz von Sicherheitskräften, die auch eingreifen und asoziales Verhalten ahnden", sagte der Polizeigewerkschafter.

Der Innenminister betonte hingegen die Verantwortung jedes einzelnen Bürgers. "Wir erleben es immer wieder, dass sich unsere Bürgerinnen und Bürger für ihre Mitmenschen in Gefahrensituationen einsetzen. Das zeigen die vielen Beispiele, die in den Medien in den vergangenen Wochen nachzulesen waren. Es ist wichtig, dass wir diesen Trend zu mehr Zivilcourage stärken." "Hinsehen, Handeln und Helfen" seien Grundwerte unserer Gesellschaft.

(DDP/spo)
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