Pflegerin Meike Ista nach „Joko & Klaas“ „Ich hoffe, jetzt verstehen viele besser, warum die Situation nicht so bleiben kann“

Interview | Münster · Ihre Schicht als Krankenpflegerin haben am Mittwochabend Hunderttausende Fernsehzuschauer in Echtzeit verfolgt. Wir haben mit Meike Ista (28) über ihre Arbeit und die Doku von Joko und Klaas gesprochen – deren Ausstrahlung in voller Länge auch sie überrascht hat.

 Meike Ista (28) arbeitet seit mehr als sieben Jahren als Fachgesundheits- und Kinderkrankenpflegerin am Universitätsklinikum Münster.

Meike Ista (28) arbeitet seit mehr als sieben Jahren als Fachgesundheits- und Kinderkrankenpflegerin am Universitätsklinikum Münster.

Foto: Universitätsklinikum Münster

Was war das Erste, das Ihnen durch den Kopf ging, als Sie von der Aktion von Joko und Klaas gehört haben?

Meike Ista Es war tatsächlich so, dass meine Pflegedienstleitung vor mir saß und mir von der Geschichte erzählt hat und mein erster Gedanke war: Ach schön, cool, und was hab’ ich damit zu tun? (lacht)

Sie haben sich dann ja schnell entschlossen, die GoPro aufzusetzen – war das für Sie direkt eine klare Sache?

 Meike Ista mit einem Kamerateam vor dem Uni-Klinikum Münster.

Meike Ista mit einem Kamerateam vor dem Uni-Klinikum Münster.

Foto: Universitätsklinikum Münster

Ista Ich hatte ungefähr gefühlte zwei Minuten Bedenkzeit, und hab’ dann aber sofort gedacht: Komm, das ist eine Chance, die musst du annehmen. Eine Chance, zu zeigen, was Pflege wirklich ist. Das wäre wirklich, wirklich ungünstig, das abzulehnen und damit war’s dann entschieden.

Sie haben gesagt, dass Sie die GoPro vor der Brust nach den ersten Minuten vergessen haben – gab es denn auch schwierige Momente beim Dreh?

Ista Dadurch, dass meine Patienten, die ich an dem Tag versorgt habe, relativ eigenständig zurechtkamen, war das eigentlich kein Problem. Ich hatte die meiste Zeit Unterstützung von einer Kollegin. Ich glaub, das kriegt man als Außenstehende gar nicht mit, dass wir uns da kurz abgesprochen haben, und dass sie mich dann zum Beispiel beim Eincremen von Patienten unterstützt hat.

Wie fühlt sich das an, die eigene Schicht, die man ja schon erlebt hat, nochmal komplett und ungeschnitten im Fernsehen zu sehen?

Ista Ich wusste bis Mittwochnachmittag nicht, ob und wie das ausgestrahlt wird – und ich konnte irgendwie gar nicht glauben, dass die wirklich meinen ganzen Dienst zeigen wollen. Deswegen war ich erstmal total überrascht. Und dann wusste ich natürlich, welcher Schritt als nächstes kommt, ich konnte mich zum Teil an die Gespräche noch erinnern, die wir geführt haben, und das war dann schon irgendwie komisch, sich das alles nochmal anzusehen.

Viele Menschen hat die Sendung beeindruckt und bewegt, einige sprechen von einem Moment Fernsehgeschichte. Aber bringt diese Aktion von Joko und Klaas überhaupt etwas, und kann sie was an der Situation der Pflegekräfte in Deutschland ändern?

Ista Das wünsche ich mir sehr, ja. Ich glaube, dass das für viele Außenstehende nochmal sehr hilfreich ist, diesen Einblick bekommen zu haben, weil ich hoffe, dass dadurch viel besser verständlich wurde, warum wir immer wieder sagen, dass die Situation so nicht bleiben kann. Und ich glaube, durch diese Reichweite kann das durchaus etwas ändern.

Sie sagen in der Reportage, dass Sie sich mehr Anerkennung für die Pflege wünschen und auch, dass jede Pflegekraft nach ihrem Dienst zufrieden nach Hause gehen kann. Was müsste sich in Ihrem Arbeitsalltag konkret ändern, damit Sie zufriedener nach Hause gehen können?

Ista Ich würde mir wünschen, dass ich jedem Patienten genug Aufmerksamkeit schenken kann, dass ich Zeit habe, mich mit ihm zu unterhalten, dass ich Zeit habe zuzuhören, dass ich aufmerksam genug hingucke, sodass ich eben alle kleinsten Veränderungen, die darauf hindeuten, dass etwas nicht in die richtige Richtung läuft, erkenne. Und ich glaube das einzige, was da hilft, ist letztendlich mehr Personal. Natürlich geht’s auch um Dinge wie Vergütung, oder dass die Überstunden keine Extreme annehmen und Urlaube eingehalten werden können. Aber für mich persönlich ist der wichtigste Aspekt, dass ich weiß, dass ich dem Patienten gerecht geworden bin – und irgendwie führt das alles wieder zu dem Punkt hin, dass ich entweder weniger Patienten oder mehr Personal brauche.

Was hat Corona verändert – in Ihrem Alltag, aber auch an der Aufmerksamkeit für Ihren Beruf?

Ista Auf meiner Station gibt es keine Corona-positiven Patienten, so dass mich das letztendlich indirekt betrifft. Aber als das Ganze vor einem Jahr losging, habe ich im Rahmen meiner Intensiv-Fachweiterbildung auf einer Erwachsenen-Intensivstation gearbeitet, wo Covid-Patienten betreut wurden und hab gesehen, wie aufwendig die Versorgung der Patienten ist und dass das irgendwie den ganzen Alltag, die gesamte Normalität durcheinandergebracht hat. Das fängt schon damit an, und das betrifft dann auch wieder meine Station, dass die Patienten keinen Besuch empfangen dürfen oder wenn dann nur sehr eingeschränkt. Und grade das trägt normalerweise sehr zur Genesung der Patienten bei.

Und das müssen die Pflegekräfte jetzt ja irgendwie kompensieren, gleichzeitig geht aber enorm viel Zeit für die zusätzlichen Schutz- und Hygienemaßnahmen drauf. Kann das überhaupt funktionieren?

Ista Das ganze Isolieren mit den Schutzkittelmaßnahmen und so weiter, das ist bei uns auch unabhängig von Covid so. Wir machen das immer, weil unsere Patienten so immungeschwächt sind, dass jeder kleinste Infekt lebensbedrohlich für sie sein könnte. Aber wenn ich mir vorstelle, dass Kollegen, die zum Teil 15 Patienten oder mehr betreuen, plötzlich solche Hygienemaßnahmen anwenden müssen, ist das unvorstellbar. Das nimmt einfach Zeit in Anspruch, und das ist auch einer der Gründe, warum der Personalschlüssel auf meiner Station nochmal ein etwas anderer ist als auf normalen Stationen und wir im Schnitt deutlich weniger Patienten zu betreuen haben als andere Pflegekräfte – dafür sehr viel intensiver.

Und was hat Corona an der Aufmerksamkeit für Ihren Beruf geändert?

Ista Ich glaube, dass Corona dafür gesorgt hat, vielleicht auch ganz am Anfang durch diese schlimme Situation in Italien, dass den Leuten zum einen unsere medizinischen Möglichkeiten in Deutschland bewusst geworden sind, aber eben auch, dass wir ausreichend Personal brauchen, um all das stemmen zu können. Das Beatmungsgerät oder das Intensivbett alleine reicht nicht, da muss auch jemand neben stehen, der das adäquat bedienen kann und den Patienten versorgt. Ich glaube, jeder wünscht sich, dass der eigene Angehörige, oder wer auch immer im Krankenhaus liegt, die Aufmerksamkeit und die Versorgung bekommt, die ihm zusteht.

Wegen der Personalnot und der extrem hohen Belastung haben sich vor allem in den vergangenen Monaten viele Pflegekräfte dazu entschlossen, den Beruf zu wechseln. Wäre das für Sie auch eine Option?

Ista Ich glaube, für mich persönlich ist jetzt grade alles irgendwie kompensierbar, sodass ich mir schwer vorstellen kann, den Job zu wechseln oder eine ganz andere Richtung einzuschlagen. Aber klar ist auch, dass man das so nicht bis zum Rentenalter machen kann… Das geht einfach nicht.

Waren Sie schonmal an dem Punkt, wo Sie darüber nachgedacht haben, den Job zu wechseln?

Ista Nein, noch nie.

Sie haben vorhin das Kompensieren angesprochen – Sie pflegen jeden Tag sehr kranke Menschen, was ja nicht nur körperlich anstrengend, sondern wahrscheinlich auch psychisch sehr belastend sein kann. Machen Sie was, in beiderlei Hinsicht, um gesund zu bleiben und das Tag für Tag schaffen zu können?

Ista Ich glaube, dass dabei ein ganz wichtiger Aspekt das Team ist. Dass wir über solche Situationen sprechen, über das, was uns belastet. Dass man Kollegen hat, die besonders gute Ansprechpartner sind und mit denen man gerne über sowas spricht – sodass mir das gut gelingt, die Arbeit auf der Arbeit zu lassen.

Der Ruf nach besseren Arbeitsbedingungen geht an Politik und Krankenhäuser. Gibt’s auch etwas, das grade jetzt in der Pandemie jede und jeder einzelne in der Gesellschaft tun kann, um die Pflegekräfte zu entlasten?

Ista Anzuerkennen, dass Corona existiert. Ich kann bis heute nicht verstehen, dass es Leute gibt, die immer noch denken, das wäre alles ein schlechter Scherz. Dazu müsste man nur mal einen Einblick auf die Intensivstationen bekommen, das sind schwerstkranke Patienten. Es ist wirklich wichtig, alle Maßnahmen einzuhalten.

Gibt es sonst noch etwas, das Sie loswerden möchten?

ISTA Wie gerne ich den Job trotz allem mache. Ich habe das Gefühl, dass ganz oft der Eindruck entsteht, dass Pflege ein ganz furchtbarer Beruf ist, weil so viel Negatives darüber preisgegeben wird, aber es ist ein wundervoller Job. Und ich finde es genauso wichtig, auch darauf aufmerksam zu machen, was wir toll daran finden und warum wir das trotz allem weiterhin machen. Oft sind das die kleinen Momente des Danks, ein Lächeln, Blicke – das ist das, was es alles wieder gut macht, zumindest für den Moment. Ich würde nichts anderes machen wollen, deshalb wünsche ich mir umso mehr, dass sich nachhaltig etwas ändert.

Vielen Dank für das Gespräch!

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