Altbischof Franz Kamphaus als Kirchenbauer Ostern — Ursprung unseres Glaubens

Rüdesheim · Altbischof Franz Kamphaus (80) verbringt seinen Lebensabend im Sankt Vincenzstift von Aulhausen – unter gut 400 geistig und körperlich behinderten Menschen. Das sei sein Ort, sagt Kamphaus, weil für ihn das Zeichen des Glaubens nie der Lorbeerkranz des Siegers sein kann.

 Altbischof Franz Kamphaus zeigt sich beim Aufbau einer neuen Kirche als echter Seelsorger.

Altbischof Franz Kamphaus zeigt sich beim Aufbau einer neuen Kirche als echter Seelsorger.

Foto: ddp

Altbischof Franz Kamphaus (80) verbringt seinen Lebensabend im Sankt Vincenzstift von Aulhausen — unter gut 400 geistig und körperlich behinderten Menschen. Das sei sein Ort, sagt Kamphaus, weil für ihn das Zeichen des Glaubens nie der Lorbeerkranz des Siegers sein kann.

Während die meisten deutschen Bischöfe in ihren Bistümern Kirchen schließen und profanieren müssen, baut er gerade eine auf: Altbischof Franz Kamphaus. Dabei ist das neue Gotteshaus ein ziemlich altes, eins aus dem 12. Jahrhundert. Die Kirche des ehemaligen Zisterzienserklosters von Marienhausen wird nur wieder hergerichtet, sorgsam restauriert und mit neuen Kunstwerken ausgestattet. Ein ganz spannender Prozess sei das, sagt Kamphaus, der in der Projektgruppe mitarbeitet. Und wer ihm dabei in die Augen schaut, wird darin den Hoffnungsfunken sehen, dass es mit der Kirche hierzulande nicht nur bergab gehen muss.

Gestaltet wird die ehemalige Klosterkirche auf dem Gelände des Sankt Vincenzstifts ausschließlich von Künstlern mit einer Behinderung. Das gehört zur Konzeptidee. Und es ist wesentlich für Kamphaus, der im amtskirchlichen Ruhestand unter Behinderten lebt und selbst behindert ist: Seit vielen Jahren plagt ihn ein Tremor, ein sogenanntes Ganzkörperzittern. Es folgte die wichtige Erfahrung: Jetzt bist du einer von ihnen.

Ein echter Seelsorger

Mit seiner Entscheidung für das Stift als Alterssitz ist der 80-Jährige das geblieben, was er oft war und immer bleiben wollte — ein echter Seelsorger. Darum hat er sich zu jenen begeben, die mitunter am Rande der Gesellschaft stehen und in besonderer Weise auch der geistlichen Fürsprache bedürfen. So wechselte er vom Limburger Bischofssitz vor fünf Jahren ins Aulhausener Vincenzstift, einem kleinen Dorf oberhalb von Rüdesheim. Gut 400 geistig und körperlich behinderte Menschen leben, wohnen und arbeiten hier.

Ob er es will oder nicht — und wer den bescheidenen Bischof kennt, ahnt, dass er das nicht will: Kamphaus ist eine Art Aushängeschild für den Geist des Hauses und das Leben im Stift geworden. "Du, Bischof", reden ihn manche Bewohner an, und auf seinen Spaziergängen übers weite Stiftsgelände trifft er bisweilen eine Frau, die ihn recht laut mit "Heiligen Vater" anruft. Wenn Kamphaus davon erzählt, lacht er so laut und herzlich wie über einen deftigen Witz.

Nein, Heiliger Vater möchte er dann doch nicht sein, eigentlich auch kein "frommer Rebell" oder ein "Widersacher Roms", wie man ihn gern genannt hat. Solche Titel erwarb sich Kamphaus, als er sich 1999 als einziger deutscher Bischof weigerte, aus der staatlichen Schwangerenkonfliktberatung auszusteigen — gegen den Willen von Papst Johannes Paul II. Der hat sich dann zwei Jahre später machtvoll eingeschaltet und den Ausstieg des Limburger Bistums verfügt, aber Kamphaus zugleich gebeten, im Amt zu verbleiben.

Für den Altbischof, der immer nur versucht, schlicht und einfach das zu leben, was er glaubt, was er sagt und verkündet, ist Aulhausen ein guter, ein richtiger Ort. An dem bleibt sogar noch sein bischöflicher Wahlspruch gültig: "Evangelizare pauperibus" — den Armen das Evangelium verkünden.

"Wir denken zu kompliziert"

Der leidenschaftliche Prediger hat noch einmal intensiv gelernt, was es heißt, so einfach wie nur eben möglich zu sprechen. "Da werde ich im Umfeld des Stifts auf den Boden der Tatsachen gestellt. Große theologische Ausführungen sind da jedenfalls nicht gefragt." Und so tritt Kamphaus vor seine Mitbewohner und verkündet zu Ostern: "Gott hat Jesus am Kreuz nicht hängen gelassen. Und Gott lässt auch dich am Kreuz nicht hängen." Das verstünden alle. So unmittelbar kann die Botschaft von Karfreitag und Ostern plötzlich sein. "Ich habe den Eindruck, dass wir zu kompliziert und umständlich über Dinge reden, die in der Heiligen Schrift ganz einfach gesagt sind. Das vergessen wird allzu leicht, dass die ersten Jünger Fischer waren, einfache Leute, das waren die ersten Boten."

Das Kreuz und die Auferweckung Jesu sind für Kamphaus der "Ursprung des Glaubens". Darauf, sagt er, zielen die Evangelien. Und weil es ihm wichtig ist, hat er darüber jetzt ein Buch geschrieben — mit Anstößen, Meditationen und Zumutungen. Denn "Gott ist kein Nostalgiker", heißt es schon im Titel.

Auch darum fühlt er sich im Stift so aufgehoben, weil für ihn das Zeichen des Glaubens nie der Lorbeerkranz des strahlenden Siegers sein kann; erlöst würden wir nur durch Gottes Teilnahme an unserer Ohnmacht, durch sein Mitleiden, seine Treue bis in den Tod.

Über den könne man nicht einfach mit einem Halleluja hinweggehen: "Das Kreuz ist das, was es ist: der Schrei der Gottverlassenheit. Das kann man nicht leichtfertig überspringen. Die Menschwerdung hat ihren Preis, und der Preis ist das Kreuz. Aus dem Kreuz, aus der Hingabe des Lebens, erwächst das neue Leben in der Auferstehung." Natürlich haben auch 80 Lebensjahre ihren Preis. Und dass der Tod näher rückt, sieht Kamphaus mit gelassener Selbstverständlichkeit. Angst vor dem Tod kenne er nicht; auch treiben ihn keine Gedanken ans Sterben um. Und dann fällt einer dieser Kamphaus-Sätze, die so klar und einfach sind, dass sie unwiderlegbar erscheinen: "Ich blicke hoffnungsfroh auf die Zukunft und auf den Tod, weil ich glaube, was ich sage."

Natürlich bringt er seinen Besucher noch bis zur Stiftspforte. Trotz seines Tremors sei er sehr fit, betont er, gehe noch täglich ins Hallenbad der Einrichtung schwimmen. Und als ein Taxi zum Rüdesheimer Bahnhof bestellt werden soll, fragt er, ob das denn nötig sei. Einige Kilometer seien es, und die Zeit sei denkbar knapp. Kamphaus meint das aber anders. Eine gute Gelegenheit wäre das doch, mal wieder mit dem Auto zu fahren, seinem Polo. Unsere Fahrt an den Weinbergen vorbei hinunter zum Rhein wird von der ersten Frühlingssonne beschienen. Und wäre noch Zeit, sagt Kamphaus, würde er jetzt gern von seiner Berufung in jungen Jahren erzählen.

(RP/felt/das)
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